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Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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funktional. Auf den Tischen lagen unzählige Ausgaben der Sports Illustrated. Sonst nichts. Die Wände schrien nach einem neuen Anstrich. Sie waren kahl und fleckig und mit den Fotos ehemaliger Bundesstaatsanwälte behängt, einer beeindruckenden Galerie von Beispielen, was man nicht tragen und wie man nicht posieren sollte, wenn man sich für die Nachwelt fotografieren lässt.
    Um diese Zeit saß niemand an der Rezeption. Auf ihr Klopfen ertönte der Summer, und sie traten ins Allerheiligste. Hier war es viel angenehmer. Es sah ganz anders aus, vermittelte einem auch ein ganz anderes Gefühl. Als wären sie durch eine Wand auf die Diagon Alley getreten.
    Sie wandten sich nach rechts und gingen zum Eckbüro. Im
Flur stand ein Mann – ein riesiger Mann. Er hatte kurzgeschorene Haare und runzelte die Stirn. Er stand absolut still und sah aus, als könnte er im Nebenberuf als Squash-Court arbeiten. Steinberg streckte die Hand aus. »Hi, ich bin Ed Steinberg, Staatsanwalt von Essex County.«
    Der Squash-Court schüttelte ihm die Hand, wirkte dabei jedoch alles andere als glücklich. »Cal Dollinger, FBI. Die anderen warten schon.«
    Damit war das Gespräch beendet. Cal Dollinger blieb, wo er war. Sie gingen um die Ecke. Joan Thurston empfing sie an der Tür.
    Trotz der frühen Stunde sah Bundesstaatsanwältin Joan Thurston blendend aus in ihrem anthrazitfarbenen Kostüm, das von den Göttern für sie gemacht zu sein schien. Thurston war Mitte vierzig und, in Lorens Augen, extrem attraktiv. Sie hatte kastanienbraune Haare, breite Schultern und schmale Hüften. Sie hatte zwei Söhne, die demnächst in die Pubertät kommen mussten. Ihr Mann arbeitete bei Morgan Stanley in Manhattan. Sie wohnten im noblen Short Hills und besaßen ein Ferienhaus auf Long Beach Island.
    Kurz gesagt: Joan Thurston war das, was Loren einmal werden wollte, wenn sie groß war.
    »Guten Morgen«, sagte Thurston, was komisch wirkte, weil der Himmel vor den Fenstern noch nachtschwarz war.
    Sie drückte Lorens Hand fest, sah ihr in die Augen und milderte den strengen Blick durch ein kurzes Lächeln etwas ab. Dann umarmte sie Steinberg und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich möchte Ihnen Adam Yates vorstellen. Er ist der SAC des FBI in Las Vegas.«
    Adam Yates trug frisch gebügelte Khakis und ein leuchtend rosa T-Shirt, was auf der Worth Avenue in Palm Beach normal sein mochte, auf der Broad Street in Newark aber befremdlich wirkte. Er trug leichte Slipper ohne Socken und hatte die
Beine zu lässig übereinandergeschlagen. Er hatte diese ganze »Meine Familie ist schon auf der Mayflower nach Amerika gekommen«-Ausstrahlung der alten Welt, mit seinem zurückweichenden blonden Haar, den hohen Wangenknochen und den klaren Augen, die so tiefblau waren, dass Loren überlegte, ob er Kontaktlinsen trug. Sein Parfum roch nach frisch gemähtem Gras. Loren war angetan.
    »Bitte setzen Sie sich«, sagte Thurston.
    Thurston hatte ein geräumiges Eckbüro. An einer Wand – fast in der hinteren Ecke – hingen diverse Diplome und Auszeichnungen. Sie waren aus dem Blickfeld genommen, als wollte sie sagen: »Hey, ich muss das Zeug zwar aufhängen, aber ich will mich nicht aufspielen.« Der Rest des Büros war privaten Dingen gewidmet. Sie hatte Fotos von ihren Kindern und ihrem Mann aufgehängt, die alle – Überraschung! – fantastisch aussahen. Das galt sogar für den Hund. Hinter ihr hing eine weiße Gitarre mit einem Autogramm von Bruce Springsteen. In den Regalen standen die üblichen Gesetzestexte und -kommentare zwischen signierten Basebällen und Footbällen. Selbstverständlich von allen einheimischen Mannschaften. Joan Thurston hatte keine Fotos von sich ausgestellt, keine Zeitungsartikel, keinen Plexiglas-Block, in den eine Auszeichnung eingegossen war.
    Loren setzte sich sittsam. Früher hatte sie sich immer auf den Sitz gekniet, um etwas größer zu wirken, aber in einem Selbsthilfebuch für Geschäftsfrauen hatte sie etwas darüber gelesen, wie Frauen sich ihre eigene Karriere kaputtmachen. Eine der Regeln besagte, dass eine Frau sich nie auf ihre Fersen setzen darf. Es sieht unprofessionell aus. Meistens vergaß Loren diese Regel. Bei Joan Thurstons Anblick war sie ihr wieder eingefallen.
    Thurston stützte sich vorne auf den Schreibtisch. Sie verschränkte die Arme und sah Loren konzentriert an.

    »Erzählen Sie mir, was Sie bisher haben.«
    Loren sah Ed Steinberg an. Er nickte.
    »Wir haben drei Leichen. Von der ersten kennen wir den

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