Kein Friede den Toten
Bis er da ist, ist das Gespräch für mich beendet. Schluss. Finito. «
»Wenn Sie das sagen.«
»Das sage ich. Besorgen Sie mir bitte ein Telefon.«
»Sie haben das Recht, einen Anwalt anzurufen.«
»Genau das habe ich vor.«
Loren dachte darüber nach. Sie wollte nicht, dass Cingle Hunter warnte. »Hätten Sie was dagegen, wenn ich die Nummer für Sie wähle?«
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, sagte Cingle. »Ich brauche allerdings ein Telefonbuch.«
»Sie wissen die Nummer Ihres Anwalts nicht auswendig?«
»Nein, tut mir Leid.«
So vergingen weitere fünf Minuten. Loren wählte und
reichte ihr das Telefon. Sie konnte immer noch hinterher in der Anrufliste nachsehen, ob sie noch ein zweites Telefonat hinterhergeschoben hatte. Sie schaltete das Mikrofon aus und ging in den Überwachungsraum. Cingle, die sich mit Kameras auskannte, wandte der im Vernehmungszimmer den Rücken zu, falls jemand Lippenlesen konnte.
Auch Loren führte ein paar Telefonate. Zuerst sprach sie mit dem Polizisten, der vor dem Haus der Hunters in Irvington wartete. Matt und Olivia waren noch nicht angekommen. Das klang nicht gut. Sie startete eine stille Fahndung, weil sie nicht wollte, dass ihre Suche zu hohe Wellen schlug.
Sie brauchte einen richterlichen Beschluss, um sich Matt und Olivia Hunters Kreditkarten-Buchungen der letzten Wochen ansehen zu können. Wenn sie auf der Flucht waren, brauchten sie wahrscheinlich auch Bargeld aus einem Geldautomaten, oder sie mussten eine Kreditkarte vorlegen, um sich in einem Motel anzumelden – irgend so etwas.
Im Überwachungsmonitor sah Loren, dass Cingle nicht mehr telefonierte. Cingle hielt das Telefon in die Kamera und signalisierte, dass jemand die Gegensprechanlage einschalten sollte. Loren tat das.
»Ja?«
Cingle sagte: »Mein Anwalt ist unterwegs.«
»Dann bleiben Sie, wo Sie sind.«
Loren schaltete die Gegensprechanlage wieder aus. Sie lehnte sich zurück. Sie war vollkommen erschöpft. Bald konnte sie nicht mehr. Bevor sie gar nichts mehr hinkriegte, musste sie ein paar Minuten die Augen schließen. Cingles Anwalt würde frühestens in einer halben Stunde hier sein. Sie verschränkte die Arme, legte die Füße auf den Schreibtisch, schloss die Augen und hoffte, die paar Minuten bis zum Eintreffen des Anwalts dösen zu können.
Ihr Handy klingelte. Sie schrak auf und ging ran.
Es war Ed Steinberg. »Hey.«
»Hey«, stieß sie hervor.
»Redet die Privatdetektivin?«
»Noch nicht. Sie wartet auf ihren Anwalt.«
»Dann lass sie warten. Lass beide warten.«
»Wieso? Was ist los?«
»Das FBI, Loren.«
»Was ist damit?«
»Wir treffen uns in einer Stunde mit ein paar Leuten vom FBI.«
»Mit wem?«
»Joan Thurston.«
Die Füße rutschten vom Schreibtisch. »Die Bundesstaatsanwältin persönlich?«
»In Fleisch und Blut. Und noch ein hohes Tier vom FBI. Der SAC aus Nevada. Wir treffen uns in Thurstons Büro, um über die falsche Nonne zu sprechen.«
Loren sah auf die Uhr. »Es ist vier Uhr morgens.«
»Danke, dass Sie mich auf das Offensichtliche hinweisen.«
»Nein, ich bin nur überrascht, dass Sie die US-Bundesanwältin so früh morgens angerufen haben.«
»Das war nicht nötig«, sagte Steinberg. »Sie hat mich angerufen.«
Als Ed Steinberg Loren gegenüberstand, schüttelte er den Kopf. Ihre Haare hatten sich durch die Feuchtigkeit gekräuselt. Der Schweiß war getrocknet, aber sie sah immer noch furchtbar aus.
»Ihr Anblick erinnert mich an irgendwas«, sagte Steinberg, »das ich mal im Fitnessstudio ganz unten im Schließfach vergessen habe.«
»Sehr schmeichelhaft, vielen Dank.«
Er gestikulierte mit beiden Händen. »Können Sie nicht – ich weiß nicht – was mit Ihren Haaren machen?«
»Ist das hier jetzt ein Single-Club?«
»Offensichtlich nicht.«
Das Büro der Bundesstaatsanwältin war nur drei Blocks von dem des Staatsanwalts von Essex County entfernt. Sie betraten es durch eine gut bewachte private Tiefgarage. Um diese Zeit parkten darin nur sehr wenige Autos. Der Fahrstuhl brachte sie ins sechste Stockwerk. An der Tür stand:
UNITED STATES ATTORNEY
DISTRICT OF NEW JERSEY
JOAN THURSTON
UNITED STATES ATTORNEY
Steinberg deutete auf die oberste und die unterste Zeile: »Irgendwie doppelt gemoppelt, was?«
Trotz der Macht, die mit der Stellung einherging, war der Empfangsbereich im klassischen Stil früher amerikanischer Zahnarzt-Wartezimmer eingerichtet. Der Teppich war abgewetzt. Die Möbel waren weder modisch noch
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