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Kein ganzes Leben lang (German Edition)

Kein ganzes Leben lang (German Edition)

Titel: Kein ganzes Leben lang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Benke
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...“
    „Raus.“
    Er nickte. Die Tür fiel ins Schloss. Anna ließ das Messer fallen und glitt auf den Fußboden. Sie zitterte wie Espenlaub.
    Christiano wartete auf den Aufzug und starrte fassungslos auf seine Hand. Das Blut lief ihm den Arm herunter und tropfte auf seinen Anzug. Er schrie auf, als die Aufzugstür sich öffnete und ihm gegen die verletzte Hand schlug. Ein Schwall Chanel No. 5 nahm ihm den Atem, gefolgt von der Nachbarin.
    „Avvocato, was ist denn ... es tut mir leid, habe ich ...“ Ihr Blick fiel auf seine Hand. Erschrocken legte sie die Hand vor den rot geschminkten Mund.
    „Mein Gott, habe ich sie verletzt?“
    „Nein, das war ein Haushaltsunfall. Ich muss ins Krankenhaus. Lassen Sie mich vorbei.“
    „Ein Haushaltsunfall?“ Sie runzelte die Stirn und nahm die Hand vom Mund, auf der sich der rote Lippenstift abgebildet hatte.
    Christiano versuchte sich an der Nachbarin vorbeizudrängeln. Diese Frau war wirklich das Allerletzte, was er gebrauchen konnte.
    „Soll ich Sie begleiten?“
    „Bloß nicht“, entfuhr es ihm.
    Beleidigt machte sie den Weg frei. „War nur gut gemeint.“
    „Ich weiß“, murmelte Christiano und schloss die Türen, ohne sich zu verabschieden.
     
    „Wie ist das passiert?“ Die Krankenschwester sah ihn aufmerksam an, als sie den Verband anlegte. Christiano saß in der Notaufnahme. An der Anmeldung hatten sie ihn auch gefragt, wie es passiert war. Statt einer Antwort war er ohnmächtig geworden.
    Er zuckte zusammen, als sie den Verband festzog.
    Sie sah ihn immer noch aufmerksam an.
    „Ein Haushaltsunfall“, wich er aus.
    „Sie sind nicht der Typ, der Hausarbeit leistet“, stellte die Frau fest. Sie war Mitte vierzig, kräftig gebaut, ihre dunklen Locken wirbelten lustig um ihren Kopf, ihre Wangen waren rot.
    „Meine Frau ...“, begann Christiano, dann verließ ihn der Mut. Er spürte, dass wieder alles taub wurde.
    „Bitte, kann ich ein Glas Wasser haben?“
    Die Krankenschwester stand auf und kam kurz darauf mit einem Glas Wasser zurück.
    Sie setzte sich ihm gegenüber. Während sie den Verband befestigte, fragte sie: „Warum?“
    „Ich habe sie betrogen, sie hat es herausgefunden.“
    „Das passiert.“
    „An der Geburt unserer Tochter.“ Christiano wusste selber nicht, warum er dies einer Fremden erzählte.
    Die Frau sah ihn erschrocken an.
    „Da haben Sie aber Glück gehabt“, bemerkte sie schließlich.
    „Wie bitte?“
    „Ich hätte auf das Herz gezielt.“ Sie sah ihn direkt an.
    Ein Frösteln lief Christiano den Rücken herunter.
    „Fertig. Morgen müssen Sie den Verband bei Ihrem Hausarzt wechseln lassen.“
     
    Helene fand Anna im Flur mit dem Rücken zur Wand. Neben ihrer Hand lag das blutige Küchenmesser. Sie zitterte am ganzen Leibe. Helene holte aus dem Wohnzimmer die Flasche Grappa und ein Glas.
    „Trink das. Du hast einen Schock erlitten.“
    Anna schaute sie aus glasigen Augen an. Ihre Zähne schlugen aufeinander. Helene führte ihr das Glas an den Mund. Die Hälfte verschüttete sie. Dann zog sie Anna hoch und führte sie zur Couch. Anna rollte sich wie ein Kind zusammen. Helene legte eine Wolldecke über sie und setzte sich neben sie. Das Zittern ließ langsam nach.
    „Ich gehe davon aus, dass er noch lebt“, stellte Helene fest.
    Anna sah sie aus roten Augen an. Ihre Lider flimmerten.
    „Ich sehe keinen Leichnam“, erklärte Helene und legte ihr die Hand auf die Stirn. „Du hast Fieber.“
    Anna murmelte etwas, das Helene nicht verstand.
    „Komm, ich helfe dir ins Bett.“
     
    Christiano leerte den Grappa in einem Zug.
    Er bedeutete dem Barkeeper, das Glas wieder zu füllen.
    Dieser sah ihn mitleidig an.
    „Harter Tag?“
    „Frauen.“ Christiano leerte das zweite Glas.
    Der Barkeeper nickte verständig.
    „Ich will sie küssen, und plötzlich sticht sie mit dem Küchenmesser zu.“ Christiano sagte die Worte mehr zu sich selbst.
    Der Barkeeper erschrak. Er zeigte auf den roten Fleck auf Christianos Hemd.
    „Nein, das ist nur der Rotwein, den sie mir ins Gesicht geschüttet hat. Sie hat mich hier getroffen.“ Er hielt die verbundene Hand hoch.
    Der Barkeeper schüttelte ungläubig den Kopf.
    „Ihre Geliebte?“
    „Meine Frau.“
    Die Augen des Barkeepers weiteten sich.
    „Madonna. Schlafen Sie nachts noch gut?“
    Christiano winkte ab. Er hatte keine Lust, diese Unterhaltung fortzuführen. Er trank einen weiteren Grappa und zahlte.
    Draußen wehte ihm die warme Sommerluft um die Nase. Er schlenderte die

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