Kein Job fuer schwache Nerven
wieder einen roten Film quer über dem ganzen Waschbecken oder was immer man gerade reinigt. Im Grunde muss man immer mit zwei Eimern wischen, einer mit sauberer Lösung, einer nur für die verschmutzte Lösung, und bitte nicht verwechseln, sonst kann man wieder von vorne anfangen.
Auch der Parkettboden war nicht so schwierig. Hochklassige Hotels haben hochwertige Parkettböden, die sind gut eingelassen, aufwendig verarbeitet, und nach dieser doch eher kurzen Einwirkzeit kriegt man die ziemlich problemlos wieder hin, vor allem, wenn man doppelt mit dem Dampfreiniger drübergeht. Hotelböden machen so was auch mit. Die Matratze und die Wände hingegen sind die Punkte, auf die ich wirklich stolz bin. Denn der Hotelmanager hatte schon felsenfest damit gerechnet, dass er beides würde austauschen müssen.
Überall da, wo das Blut auf den Boden geplatscht war, war jedes Mal in Knöchelhöhe an der weißen Wand ein kleiner Sprühfilm entstanden. Den ganzen Flur entlang, links, rechts, tropftropftropf, sprühsprühsprüh. Aber zu seinem Glück hatte das Hotel eine extrem stabile Tapete verwendet, das war beinahe schon eine Art Textilbespannung. Und wir hatten Phosphorsäure im Gepäck.
Wenn man das Etikett liest, für welche Anwendungsbereiche Reiniger auf der Basis von Phosphorsäure vorgesehen sind, findet man Sanitärbereiche, Kalkablagerungen, eine Menge Zeug. Bettwäsche und Tapeten findet man da nicht. Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass man seine Betten nicht täglich damit behandeln sollte. Aber ein Mal, nach dem Besuch eines Möchtegern-Selbstmörders, geht das durchaus. Wir haben eine Lösung angesetzt, die betroffenen Bereiche damit getränkt, von Hand. Und dann haben wir die Lösung mit unserem Sauggerät wieder herausgesaugt. Zwei Durchgänge, das Bett sah aus wie neu, die Wandtapete ebenfalls. Das geht natürlich nicht bei normalen Wänden, leider, da wäre hinterher der Putz irreparabel hinüber, aber hier war eben auch etwas Glück mit im Spiel. Dem Hotelmanager sind jedenfalls fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als er das Zimmer abgenommen hat. Und ich habe versucht, mir nicht anmerken zu lassen, wie stolz ich auf uns war. Nur eines ist ihm noch aufgefallen, und das war der Bereich, wo wir bislang noch immer an die Grenzen unserer Tricks gestoßen sind.
Er schnupperte in die Luft und sagte: » Also … merken Sie das auch …? Hier riecht’s irgendwie … irgendwie so nach Eisen.«
Und er hatte recht. Es roch nach Blut.
Das liegt am Hämoglobin im Blut. Hämoglobin transportiert Sauerstoff mithilfe eines Eisenkomplexes. Sauerstoff ist allerdings auch die Basis vieler gängiger Reinigungsmittel. Der Grund dafür ist, dass Sauerstoffatome nichts lieber machen als sich an andere Atome zu heften. So was wie McDonald’s für Kinder: Man kann einem Kind jedes Restaurant der Welt vorschlagen, aber sobald man » McDonald’s« sagt, pfeift das Kind auf das Fünf-Sterne-Lokal, auf den Dönerspieß, auf den Italiener. Und so attraktiv wie McDonald’s für Kinder ist Sauerstoff für andere Atome: Sauerstoff breitet die Arme aus, und sofort springt ein Teil der Molekülkette vom Leichengeruch in diese offenen Arme. Zurück bleibt ein kaputtes Geruchsmolekül, das nicht mehr stinkt – wie bereits geschrieben: als hätte man aus dem Wort » stinken« das » t« entfernt. Das klappt nicht nur bei Gerüchen, das funktioniert auch bei Flecken, bei Desinfektionsmitteln, weil Sauerstoff einfach alles kaputtmacht, indem es ein Atom aus jedem Molekül herauslockt. Blut ist allerdings ein besonderer Fall. Das Hämoglobin im Blut ist eine Art » Sauerstofftaxi « , und anders als viele anderen Moleküle lässt sich das Hämoglobin nicht vom Sauerstoff knacken: Es hat praktisch nur auf ihn gewartet und lässt ihn einsteigen. Und dann lässt es nicht mehr los.
Es gibt ein paar Verbindungen auf der Welt, die man einfach nicht aufbrechen kann. Sauerstoffverbindungen gehören dazu. Das O aus dem H 2 O des Wassers rauszuholen – irrsinnig schwer, kostet furchtbar viel Energie. Warum ist das Kohlendioxid für die Umwelt so problematisch? Weil man das O aus dem CO 2 so schwer wieder rauskriegt. Und Eisenoxid – der gute alte Rost? Man kann den Prozess mit Rostumwandlern aufhalten, aber den Sauerstoff wieder von dem Eisen loszukriegen – irrsinnig aufwendig.
Jedes Mal, wenn wir also große Mengen von Blut aufwischen, desinfizieren, mit Reinigern behandeln, produzieren wir eine Menge kaum zu knackender
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