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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Berufsrisiko, und in diesem Fall gleich doppelt: Denn der Schabenbefall kam nicht von irgendwelchen Hygienemängeln in der Kantine, sondern deshalb, weil im selben Gebäude auch die Beweis- und Spurensicherung untergebracht war. Und die Schaben waren nicht mit Lebensmitteln ins Haus gelangt, sondern, soweit ich das mitbekommen habe, mit gesicherten Beweismitteln für irgendwelche Fälle. Ist ja logisch: Wenn man Spuren sichern will, kann man die natürlich nicht polieren, bis kein Fingerabdruck mehr drauf zu sehen ist. Der Anruf, der uns auf dem Weg zum Polizeirevier erreichte, gehörte auch zu einem Berufsrisiko, aber zu einer anderen Sorte.
    Der Manager eines Münchner Vier-Sterne-Hotels war am Apparat, und als Allererstes bat er uns um Diskretion (die hiermit auch gewahrt bleibt, weil es in der wunderbaren Hotel- und Urlaubsstadt München, der herrlichen Weltstadt mit Herz, einen Haufen Vier-Sterne-Hotels gibt und demnächst garantiert noch mehr, denn sobald man zu irgendeinem hübschen Anlass in einem dieser Vier-Sterne-Hotels ein Zimmer möchte, kann man getrost davon ausgehen, dass sie alle ausgebucht sind). Irgendwie war ihm das alles nicht so recht angenehm, obwohl ich fast angenommen hätte, dass in so einem großen Haus derlei Dinge häufiger vorkommen.
    Die Rezeption hatte am frühen Vormittag einen Anruf bekommen, aus einem Krankenhaus. Von dort meldete sich ein Herr, der sich als jener Herr aus Zimmer 745 zu erkennen gab, der vorher, in den frühen Morgenstunden, ausgecheckt hätte. Und dann sagte er sehr zerknirscht, er rufe wegen des Zimmers an, also, das Hotelpersonal möge bitte nicht erschrecken, er habe da wohl eine ziemliche Sauerei hinterlassen, und dafür würde er sich gerne entschuldigen. Woraufhin sich das Hotelpersonal das Zimmer ansah. Es war sofort einsichtig: Eine Entschuldigung war tatsächlich angebracht, aber mit einer Entschuldigung war es hier längst nicht getan.
    Münchner Hotelmanager sind einiges gewohnt. Vor allem zur Oktoberfestzeit finden sie morgens Zimmer vor, bei denen man sich wundert, dass der Gast noch drinbleiben wollte. Nach wie vor passiert es, dass Rockstars oder solche, die es noch werden wollen, Hotelzimmer zerlegen, und manchmal ist es außerdem auch ganz gut, wenn die Putzfrau rasch das Zimmer reinigt, bevor die Drogenfahndung hereinschneit. Dieses Zimmer hingegen sah aus wie nach einem Blutbad, bei dem die Leiche fehlte. Mit gutem Grund: Sie hatte ja gerade aus dem Krankenhaus angerufen.
    Der nicht mehr ganz junge Mann hatte das Zimmer genommen, um sich umzubringen, und das nicht gerade fachmännisch. Was schon mit der Tatvorbereitung begonnen hatte: Nach dem Einchecken hatte er sich zuerst die Minibar vorgenommen und alles geschluckt, was Alkohol beinhaltete: Bier, Piccolos, diverse Schnäpse. An der Reihenfolge – erst Alkohol, dann Suizid – gibt es keine Zweifel: Die Minibar war nämlich so ziemlich die einzige Ecke im Raum, die nicht vollgeblutet war.
    Anschließend ging er ins Badezimmer und öffnete sich die Blutgefäße an den Handgelenken. Die Venen.
    Der Laie fragt da natürlich: Ausgerechnet die Venen, die Arterien aber nicht – woher will der Anders das wissen? Als Rettungsassistent tut man sich da sicherlich leichter, aber mit ein bisschen logischem Denken kann man selbst drauf kommen. Auch wenn man nicht weiß, dass die Arterien deutlich schlechter zu erreichen sind als die Venen, weil sie tiefer im Arm liegen. Die Frage ist: Was unterscheidet Venen und Arterien?
    Venen transportieren verbrauchtes Blut zum Herzen zurück, daher auch der leicht violett-bläuliche Farbton. Arterien hingegen kommen vom Herzen, dem Muskel, der den Kreislauf in Schwung hält. Wenn man sich nun mit etwas Mühe die Arterien öffnet, dann muss man aufpassen, dass man kein Blut ins Auge kriegt, weil in den Arterien ordentlich Druck herrscht. Öffnet sich also jemand die Arterien, findet man das Blut überall: an der Decke, an den Wänden, an den Fenstern. Beim Öffnen der Venen dagegen tropft das Blut nur heraus, mit dieser eigenartigen Konsistenz, die dick- und dünnflüssig zugleich ist.
    Ich verrate natürlich kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es für das Gelingen eines Selbstmords völlig egal ist, ob man sich Arterien oder Venen öffnet. Es gibt, ich wiederhole mich da gerne, keinen Selbstmordtipp, der nicht schon tausendmal bei Hunderten von ziemlich kranken Adressen im Internet erschienen ist. Entscheidend ist bei Venen und Arterien nur, dass man sie weit genug

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