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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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zur Tatzeit normalerweise immer zu, und der Täter füllt da auch nicht gezielt Blut ein, aber es ist einfach so. Es läuft an der Front einer Schublade oder eines Schranks nach unten, bis zur Ritze, und dann immer in die Schublade rein. Ich weiß nicht, ob’s Zufall ist oder ob in Einbauküchen die Schubladen immer eine leichte Neigung nach hinten haben, damit sie sich leichter wieder schließen – ich stelle nur fest, dass Blutstropfen und -spritzer so gut wie nie nach außen rinnen. Und noch sicherer finden sie den Weg auf die Sockelleiste.
    Das glaubt einem auch keiner, weil die ja meistens rückversetzt ist, da ragen zehn Zentimeter Herd drüber, oder zehn Zentimeter Schrank, aber Blut tropft und spritzt hervorragend, und wenn es vom Schrank auf den Boden tropft, pffffff, nebelt der Aufprall sofort die Sockelleiste dahinter ein. Daher haben wir also die komplette Küche desinfiziert und dann blankgeputzt, mit Eiweißlöser. Wir haben auch die Blumen gegossen, und wir haben das Ess- und Wohnzimmer auf Vordermann gebracht, den Tisch abgedeckt, das Geschirr abgespült. Und dabei habe ich das Bild gesehen.
    Das Bild hing im Wohnzimmer, ein Foto, über dem Esstisch, richtig groß gezogen, einen Meter breit vielleicht und 60, 70 Zentimeter hoch. Ein Familienfoto, von einem Profifotografen. Und das Erschreckende war die besondere Art des Fotos.
    Denn Familienfotos gibt’s ja viele. Und sehr häufig sind die richtig albtraumhaft, gerade die aus dem Fotostudio. Da sitzen sie alle verkrampft beieinander oder superlässig, und es wird auch noch ein Zentner Weichzeichner drübergelegt, dass es richtig grauenvoll aussieht, so zuckersüß, dass man direkt einen Magenbitter haben möchte. Aber das war bei diesem Foto nicht so.
    Der Fotograf hatte die Familie einfach in normale Jeans gesteckt, sie trugen jeder ein schlichtes weißes T-Shirt. Und er hatte sich natürlich eine Pose für die Familie ausgedacht, dazu ist er ja Fotograf, aber es war keine zu gekünstelte Pose, es war eine ganz einfache Aufgabe, um die sechs ein bisschen von der Situation des Bildaufnehmens abzulenken: Die Idee war, dass die drei ältesten Kinder sich hintereinander stellen, dass sie sich gegenseitig stützen, und zwar so, dass sie anschließend ihren Papa stützen konnten. Der so gestützte Papa konnte wiederum seine Frau stützen, und die hielt das jüngste der Kinder im Arm. Das war kein weltbewegendes Gleichnis, aber die Aussage war auch nicht so entscheidend: Denn man konnte auf dem Foto vor allem sehen, dass die Familie dabei einen Heidenspaß gehabt hatte. Da zwang sich niemand zu einem Grinsen, die lachten alle. Und der Vater darauf sah nett aus, sympathisch, das war niemand, von dem man annähme, dass er höchstens zwei Jahre später seiner Frau ein Messer in die Brust rammen würde.
    Wieder und wieder und wieder.
    Und das war das Erschütternde. Diese unvorstellbare, einfach nicht mehr nachvollziehbare Gewalt. Das war nicht irgendein Fundamentalist vom Dorf, dem die Frau wegläuft, und der daraufhin glaubt, er müsse sofort eine Art » Ehrenmord « durchführen. Das war kein Einbrecher, das war ein ganz normaler Mann, 42 Jahre alt, wenn man ihn auf dem Foto sah, hätte man sich gut vorstellen können, wie man ihn bei einem Bier tröstet, weil seine Ehe gerade scheitert, und wie man ihm sagt: » Komm, das ist nicht das Ende der Welt. Du hast doch noch die Kinder, die mögen dich auch dann noch, wenn ihr getrennt seid. Und du findest garantiert bald jemanden für einen Neuanfang.« Der Mann sah aus wie jemand, der kein Problem damit haben konnte, wie jemand, den Frauen einfach gern haben.
    Mir ist dieses Bild tagelang nicht aus dem Kopf gegangen. Da habe ich das erste Mal gespürt, dass sich irgendetwas in meinem Leben als Leichenfundortreiniger ändert. Ich konnte es noch nicht genau erfassen. Worum es sich handelte, habe ich es erst zwei Wochen später gemerkt.

13 . Aufgeweicht
    Man lernt einfach nie aus. Man lernt allerdings auch eine Menge Dinge, die man überhaupt nicht lernen möchte, weil sie für das normale tägliche Leben völlig unnütz sind. Und natürlich könnte man mit manchem von dem, was man als Leichenfundortreiniger lernt, sehr interessante 25 0 000-Euro-Fragen für Günther Jauch ersinnen, aber realistisch gesehen wird Herr Jauch selbstverständlich nie diese Frage stellen:
    Welches der folgenden Putzmittel ist eine beliebte Modedroge?
    a) Kernseife
    b) Felgenreiniger
    c) Glasreiniger
    d) Waschbenzin
    Ich sag’s

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