Kein Job fuer schwache Nerven
blutige Kopfhaut vor den Augen hängt.
Das Verblüffende daran ist, dass der Mann das Ganze überlebt hat – wenn auch nicht wirklich gut. Sein Knie konnten sie im Klinikum reparieren, aber das mit dem Kopf nicht wirklich. Als ich zuletzt von ihm gehört habe, lag er im Koma, und die Ärzte waren nicht allzu optimistisch.
Zuerst haben Hardy und ich die Wohnung großzügig mit Perform desinfiziert, einem Mittel auf Sauerstoffbasis, das weniger in den Augen brennt als andere Mittel. Abgesehen davon hat es den Vorteil, dass es auf der offiziellen Liste des Robert Koch-Instituts für behördlich angeordnete Desinfektionen steht, für die darf man nämlich nicht jedes beliebige Mittel verwenden. Dann wischten wir zwei Stunden lang das Badezimmer aus. Wir zerlegten und verpackten die völlig unbrauchbar gewordene Couch sowie die Kleidung des Junkies, die der Notarzt ihm ja ausgezogen hatte. Dann machten wir uns an die Blut- und Kotspuren am Boden.
Es ist erstaunlich, was für einen Unterschied es immer noch ausmachen kann, ob Fäkalien leicht angetrocknet sind oder neu mit Feuchtigkeit angelöst. Schon vorher war die Wohnung olfaktorisch keine Blumenwiese gewesen, aber jetzt trieb es uns fast die Tränen in die Augen. Das Unangenehme war, dass der Geruch in den Hausflur zog. Ich habe sofort eine Dose Gute-Laune-Spray im Gang verteilt, einen massiven Geruchsüberdecker, und wir haben schleunigst die Kotbaustelle abgearbeitet, wir haben den Boden zweifach gereinigt, um uns möglichst rasch dem eigentlichen Problem zu widmen: dem Blut an der Wand.
Rein technisch kann man natürlich jede Wand retten, indem man einfach den kompletten Putz entfernt, die Wand neu verputzt und streicht. Aber so was ist teuer, und man möchte das vermeiden, wenn es geht. Es ist keine Kunst, ein Zimmer für einen fünfstelligen Betrag herzurichten, aber letztlich halte ich es auch für meine Aufgabe, dass jemand wie die junge Frau nicht drei oder vier Monatslöhne für etwas bezahlen muss, für das sie nun wirklich nichts kann. Andererseits sollten natürlich die Blutflecken weg. Wir haben das Problem nun in zwei Teile zerlegt: Erstens geht es um das Blut als möglichen Infektionsherd. Und zweitens geht es um das Blut als sichtbaren Fleck.
Die Desinfektion ist nicht so kompliziert. Man nimmt zum Beispiel Perform und wäscht damit die Wände ab. Damit ist das Blut neutralisiert, potenzielle Keime sind tot. Aber weg ist es damit nicht, und sichtbar ist es auch noch. Fleckförmig, allerdings jetzt bräunlich, wegen des Rosts. Das Hämoglobin färbt ja nicht nur das Blut rot, es transportiert auch den Sauerstoff im Körper und zwar, indem es ihn an einen Eisenkomplex bindet, zu einem Muskel transportiert und wieder abgibt. Hat man nun Hämoglobin in der Wand, und es kommt Luft oder ein sauerstoffhaltiges Mittel hinzu, bindet sich der Sauerstoff an den Eisenkomplex und bleibt da. Das Eisen oxidiert, was nichts anderes bedeutet, als dass es rostet. Darum ist altes Blut rostbraun, und deshalb haben wir noch immer unseren Fleck in der Wand. Also decken wir diesen Fleck mit einer speziellen Farbe ab, die Blut in der Wand isoliert. Und jetzt kommt das eigentliche Geheimnis, denn weiß drübermalen kann ja jeder.
Aber jeder, der schon mal vor dem Auszug eine Wohnung renoviert oder versucht hat, nur die schlimmsten Flecken zu übermalen, der weiß auch, dass man das Ursprungsweiß nie wieder hinkriegt. Man hat vielleicht den Fleck übermalt, aber dann hat man eben eine weiße Wand mit einem Fleck in einem deutlich anderen Weiß. Also hab’ ich mir von einem Maler erklären lassen, wie der das macht: Er nimmt eine gute weiße Farbe und verdünnt sie, bis sie ziemlich transparent ist. Und mit diesem Film geht er dann wieder und wieder drüber, und je weiter er sich von dem Fleck entfernt, desto weniger oft. Er schleicht sozusagen die Farbe aus und – tadaa! – Wunder über Wunder: Niemand sieht mehr, wo der Fleck war.
Bei einer total vergilbten Raucherwohnung funktioniert das natürlich nicht mehr, da decke ich die Flächen dann ab und male halt einen ganzen Wandabschnitt weiß, das ist effizienter. Aber sonst geht das prima. Und darauf bin ich auch ein bisschen stolz, dass wir diese Lösung haben, denn ganz ehrlich: Die meisten Konkurrenzunternehmen sagen hier entweder: » Das war’s!«, oder sie schicken einen Subunternehmer-Trupp mit Malern, Stuckateuren oder sonst was. So verrückt, dass er sich die Malertricks abschaut, bloß, weil er vor einem
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