Kein Job fuer schwache Nerven
Supermärkten gibt. Decke und Kissen waren riesige, formlose Klumpen auf einer Matratze, bei der man nur noch unterscheiden konnte zwischen » fleckig « und » dunkelfleckig « . Der Stauraum unterhalb des Bettgestells war gesteckt voll mit diesen Plastikflaschen. Hinter dem Bett stand ein aufgestelltes Bügelbrett, sozusagen eine Art Nottisch. Hier war bis zuletzt gegessen worden. Ich überlegte, was ich mir hier weniger vorstellen konnte: zu schlafen oder zu essen. Ich kam zu keinem Schluss, es war beides gleichermaßen unvorstellbar.
Auf der anderen Seite des Betts lagen auf der kniehohen Flaschenschicht zwei weniger dreckige Matratzen, das Ergebnis des Plans einer Schlafzimmerreinigung. Vermutlich hatte er erst mal eine neue Matratze gekauft, dann ein Jahr gewartet und dann noch eine neue Matratze gekauft, die er dann auf die erste legte. Beide Matratzen waren nie zum Einsatz gekommen und wurden nur noch als Lagerstätte für zwei Eimer genutzt. In diesen Eimern stand und gärte das, was sonst in die PET -Flaschen abgefüllt wurde: Urin.
Und weil all das noch nicht reichte, prangten auf der Vorderseite des Bettgestells unübersehbar Spuren eines inmitten des Chaos verrichteten großen Geschäfts. Die zu beseitigen war wohl zu schwierig gewesen, und irgendwann hatte er sich damit wohl arrangiert. Ich sah mir das entsetzliche, widerwärtige Durcheinander auch nur noch deshalb an, weil ich ansonsten irgendwann mal Petra hätte ansehen müssen, und das schien mir alles andere als ratsam. Ich habe Didi noch nie so bleich gesehen wie in dem Moment, als er nach einer Kurzbesichtigung des Schlafzimmers zu mir kam und sagte: » Ich hab’ ’ dacht, ich wär’ a harter Feuerwehrmann. Aber jetz woaß i: I bin nur a Muschi.«
Nachmittags um 16 Uhr waren wir eingetroffen, und ich war noch davon ausgegangen, dass wir die Wohnung leer bekommen würden. Abends um 22 Uhr waren wir fix und fertig, und wir hatten mit dem Schlafzimmer noch nicht mal angefangen. Der junge Mann saß unablässig daneben und wäre am liebsten im Boden versunken, am besten durch die ganze Erde hindurch bis Australien. Das hatte immerhin tatsächlich etwas Anrührendes, wenn man das zwischen den Ekelanfällen empfinden konnte, der Mann war nun einmal krank, körperlich sowieso und mental ja wohl auch irgendwie.
Wir hatten sechs Stunden lang nichts anderes gemacht als Müllsäcke zu füllen und sie auf dem riesigen Balkon zu stapeln. Der Hausmeister hatte uns nicht erlaubt, die Säcke mit dem Lift nach unten zu transportieren, und ich konnte es ihm nicht mal verdenken. Wenn auch nur eine Flasche kaputtgegangen wäre, hätten sie vermutlich den Lift ausbauen und verbrennen müssen. Also entwickelte ich den Plan, erst alles auf dem Balkon zwischenzulagern und später Sack für Sack über die Brüstung abzuseilen. Abends machten wir aus einer der Matratzen und aus der noch packungsneuen Bettwäsche aus der Badewanne ein Notbett. Und Jenny, die ja Krankenpflegerin gelernt hat, setzte den Bewohner dieser Endlagerstätte in die inzwischen frei gewordene Wanne, wo sie und Petra ihn säuberten.
Dann machten wir Feierabend, und Petra wusch mir unterwegs den Kopf, bis ich begriffen hatte: Meine Frau hilft durchaus, Blutlachen wegzuwischen, aber bei Exkrementen hört die Liebe auf. Ich konnte es ihr wirklich nicht übel nehmen.
Am nächsten Tag kam ich wieder mit Didi, Klaus und Andi, einem Aushilfskollegen, natürlich auch feuerwehrerfahren. Wir packten das Schlafzimmer ein, mühsam, angeekelt, zermürbt, weil die Flaschenflut einfach kein Ende nahm, immer neue 120-Liter-Müllbeutel türmten sich auf dem Balkon, die Beutel kann man ja auch nur begrenzt vollstopfen. Und dann so am späten Mittag, machten wir uns ans Abseilen, ganz professionell.
Zuerst legten wir unterhalb des Balkons den Boden großzügig mit Planen aus, so gut es ging jedenfalls, denn wir hatten nicht allzu viel Platz, nur etwa vier Meter. Jenseits dieser vier Meter lag die Terrasse eines italienischen Restaurants, das sich langsam zu füllen begann. Der Wirt war freundlich, aber nicht begeistert von den neuen Nachbarn im weißen Overall. Ich drückte ein bisschen aufs Tempo: Ich legte den Klettergurt von den Rettungseinsätzen an, fädelte das Kletterseil ein, absolut reißfest, und dann seilte ich Sack um Sack ab, zügig, aber nicht hektisch. Unten stand Klaus, band die Säcke los und brachte sie zum Container. Nach 50 Säcken ließ ich mich ablösen und gab den Gurt samt Seil an Andi
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