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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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bezahlt, aber da hätte ich noch meinen Mund gehalten, wenn nicht stattdessen ein neuer Großbildfernseher in der Wohnung gestanden hätte. Der Karton stand natürlich auch noch da.
    Und dann hab ich ihm mal die Meinung gesagt. Wenn ich die alte Pisse von jemandem ins Gesicht kriege, dann hab’ ich auch das Recht dazu, ihm zu sagen, was ich von ihm und seinen Bemühungen um Reinlichkeit halte. Und dass er schon wieder so anfängt, wie er grade eben aufgehört hat. Und dann ist er auch pampig geworden. Aber das war natürlich mein Fehler.
    Diese Menschen sind krank und brauchen Hilfe. Nicht die Hilfe, die ein Tatortreiniger bieten kann, sondern eine dauerhafte Therapie. Und in dem Moment, in dem man denkt, man müsste ihnen selber weiterhelfen, ist das ein Alarmsignal. Dann hängt man schon zu tief drin. Oder man ist von Kabel Eins und möchte eine Fernsehsendung drüber machen. Ich kann diese Sendungen seither nicht mehr ansehen, ohne mir dabei zu denken: Man sollte all diese Menschen ein halbes Jahr später besuchen und nachsehen, was wirklich aus ihnen geworden ist.
    Und noch eine Sache ist geblieben: Es fällt mir ganz schwer, im Supermarkt an einer PET -Flasche vorbeizugehen, ohne sie mir mit einem goldgelben Inhalt vorzustellen.

22 . Carwash
    Schon die Anfrage war für mich ein Kompliment. So was hatte ich noch nie: Der TÜV war am Telefon und wollte mich als Sachverständigen haben. Dabei ist der TÜV ja eigentlich selber der Sachverständige. Nur eben nicht für Leichenwagen.
    Passiert war Folgendes: Ein junger Mann hatte beschlossen, aus dem Leben zu scheiden. Die Methode der Wahl war die Öffnung der Pulsadern. Und in einem Anfall von Rücksichtnahme hatte er entschieden, das nicht zu Hause zu machen, sondern im Auto. Aber nicht im eigenen. Da würde ja die Familie noch drin fahren müssen. Also marschierte er zu einer namhaften deutschen Autovermietung und orderte einen Transporter. Es wäre vielleicht ganz nett gewesen, wenn er auf einem etwas älteren Modell bestanden hätte, andererseits – so was macht die Vermieter natürlich auch wieder stutzig. In jedem Fall sagte er nichts Spezielles dazu und bekam einen drei Monate alten VW T5, der gerade mal 1 0 000 Kilometer auf dem Tacho hatte, da kann man beinahe schon noch » neuwertig « dazu sagen. Er stieg ein und fuhr in ein Waldstück außerhalb der Stadt. Und dann schlitzte er sich die Pulsadern auf.
    Er hatte das ein wenig dilettantisch angelegt, wenn ich das mal flapsig formulieren darf. Er hatte zwar die richtigen Gefäße erwischt, aber sie dafür nicht sonderlich weit geöffnet. Vom Ergebnis her macht das keinen Unterschied: Man stirbt so schon auch, keine Sorge. Aber man stirbt erstens langsamer, zweitens qualvoller und drittens hat man noch reichlich Zeit, den gesamten Wagen zu versauen.
    Die ersten beiden Punkte sind tatsächlich so: Man sieht es ja an den Fundorten. Denn der kritische Punkt beim Pulsadern-Öffnen ist der Moment des sogenannten Volumenmangelschocks. Wer verbluten will, verblutet zunächst ziemlich unaufgeregt. Er wird dann sogar müde. Aber irgendwann, so etwa nach drei Litern Blutverlust, merkt der Körper, dass ihm das Blut ausgeht. Dann dreht er noch mal so richtig auf, denn er versucht, die geringe Menge verbliebenen Bluts dafür umso schneller durch den Körper zu schleusen. Da muss der Kopf gar nicht mal mehr so richtig zurechnungsfähig sein, aber man schüttet viel Adrenalin aus und steigt voll ein in die Endrunde des Todeskampfs. Wenn man die Blutgefäße weit, weit offen hat, geht das noch halbwegs erträglich schnell. Aber wenn nicht, dann zieht sich dieser Todeskampf in die Länge. Das ist nicht schön für den Selbstmörder. Und wenn er das Ganze in einem praktisch nagelneuen Mietwagen veranstaltet, ist es auch nicht schön für den Autovermieter.
    Der Mann hatte ganz normal auf dem Fahrersitz begonnen. Er hatte die Windschutzscheibe innen mit Blut bespritzt, das Lenkrad, das komplette Armaturenbrett, die Gangschaltung, er war schon halb bewusstlos nach hinten gekippt, hatte den Arm hängen lassen und hinter den Beifahrersitz geblutet, dann war er nach rechts gekippt und hatte auf den Beifahrersitz selbst geblutet. Etwa zu diesem Zeitpunkt setzte der Volumenmangelschock ein. Ab dann ist es wirklich unschön geworden. In solchen Momenten haut’s die Leute richtig durch die Gegend, das ist der reine Wahnsinn. Man hat’s ja gesehen, er hat in seinem Todeskampf zunächst die Kopfstütze umgebogen, bis er sie samt

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