Kein Job fuer schwache Nerven
Verankerung rausgerissen hatte. Die Kopfstütze rauszuziehen, ist ja nicht schwer, aber sie rauszubiegen – das kann gerne jeder selber mal im Auto versuchen, das sind Stahlstangen, die biegt man normalerweise nicht. Dann hatte es ihn offenbar zwischen die Sitze verschlagen, zwischen den Fahrer- und Beifahrersitz und zwischen die beiden Sitze der zweiten Reihe, und dann hatte er sich wieder hochgezogen, in der dritten Reihe – der T5 ist ja ein Dreireiher. Dort, auf dem linken hinteren Sitz der Rückbank, war er dann verblutet. Und deshalb brauchte mich der TÜV : Zunächst mal gar nicht zum Reinigen. Sondern um festzustellen, ob sich das Reinigen lohnt. Wenn nicht, dann war der Wagen ein Totalschaden.
Das ist gar nicht mal so abwegig. Für Laien: Totalschaden bedeutet ja nie, dass ein Auto total kaputt ist. Das heißt nur, dass die Reparatur des Wagens teurer ist als sein Wert. Und Reparatur bedeutet in diesem Fall Reinigung, obwohl das Auto tipptopp fahrbereit war. Und zunächst klingt das sicherlich merkwürdig: Kann es günstiger sein, ein 5 0 000-Euro-Fahrzeug wegzuschmeißen, als es zu reinigen? Es kann.
Zum einen, weil das Auto direkt im ersten Jahr am meisten Wert verliert, wir sind also nur noch bei 4 0 000 Euro. Zweitens war der Selbstmörder mit dem Wagen auch noch ordentlich an einen Baum gedotzt, macht mit Ersatzteilen und Lackschaden 5000 Euro Reparatur. Und drittens, weil der Kunde ja kein Privatmann ist, der bei der Reinigung nicht so pingelig sein muss. Der Kunde ist ein namhafter Autovermieter, und falls ein Mieter plötzlich mal irgendwo einen roten Schmierer entdeckt, will der nicht nur sein Geld zurück, dann schimpft er auch, womöglich im Internet. Also brauchen wir eine Reinigung, die praktisch den Neuwert wiederherstellt, das bedeutet Ersatzteile. Und weil man Originalteile verwenden muss und VW die nicht zum Selbstkostenpreis liefert, sondern ganz normal nach Liste berechnet, kann man dann schon ruckzuck wieder im fünfstelligen Bereich landen.
Also habe ich mir den Wagen mal angesehen. Und hier zahlt sich die Erfahrung aus, die wir inzwischen gesammelt haben. Zum Beispiel, dass das nicht der erste Wagen eines Selbstmörders, ebenfalls mit den Pulsadern, war – wie ich es bereits im ersten Buch geschildert habe. Damals war’s das Führerhaus eines Lastwagens gewesen, und bereits bei dessen Reinigung hatten wir festgestellt, dass man das Wageninnere komplett zerlegen muss, weil das Blut einfach überall hinläuft. Bei diesem Wagen konnte man es nur vermuten, ich wusste aber auch, dass das Zerlegen bei einem Pkw schwieriger ist. Ich veranschlagte also einen Tag zur Reinigung, mit zwei Personen – und dazu einen VW -Werksmechaniker, der genau wusste, wo man welche Schrauben am schnellsten lösen muss, um die Teile alle in die Hand zu bekommen. Das klingt auf Anhieb womöglich recht eingebildet, aber wer sich ein bisschen mit modernen Autos auskennt, wird mir da Recht geben. Das ist heute nicht mehr mit einem normalen Satz Schraubenschlüssel hinzubekommen wie früher beim Fiat Panda. Heutzutage versuchen die Hersteller, das zu spezialisieren. Wenn man heute unter eine stinknormale Motorhaube guckt, sieht man keinen Motor mehr – man sieht nur noch große, saubere Bauteile mit Plastikabdeckungen, die man auch nur in einer bestimmten Reihenfolge lösen kann. Darum ist die Werkstattrechnung für irgendwelche Kleinreparaturen oft so irrsinnig hoch: Weil vorher hundert Teile ausgebaut werden müssen, die mit dem eigentlichen Fehler überhaupt nichts zu tun haben.
Allein damit ist man schon bei etwa 2500 Euro. Und dann die Ersatzteile: Den schneeweißen Himmel des Wagens konnte man vielleicht retten, aber sicher war’s nicht. Also setzte ich ihn mal vorsichtshalber auf die Rechnung. Die Bezüge der vollgebluteten Sitze – trotz aller pflegeleichten Materialien nicht zu retten, weil das Blut auch noch im Schaumstoff drunter war. Irgendwie halbwegs sauber kriegt man’s schon, aber was ist denn, wenn sich jemand den Wagen leiht, im Juli, bei 35 Grad, seine Frau auf dem Beifahrersitz mit der schneeweißen Jeans, und dann schwitzt man so vor sich hin ins Sitzpolster – plötzlich ein Blutfleck auf der Hose. Also weg damit. Auch die gesamten Spiralen der Sitzheizung, alles wird weggeworfen. Dazu noch die Teppiche aus dem Fußraum. Den kann der Privatmann mit irgendwelchen alten Teppichen auslegen – der Autovermieter kann das nicht. Der muss die Originalteppiche von VW nehmen. Dazu kamen
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