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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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nicht, froh darüber, endlich etwas in den Magen zu bekommen.
    „ Wie schmeckt es dir?“
    Sandra ließ sich das zarte Fleisch auf der Zunge zergehen.
    „ Super. Und ganz ohne Gewürze, das hätte ich nicht gedacht.“
    „ Gewürze lenken nur vom Eigengeschmack ab.“
    Sie kauten eine Weile und stillten den größten Hunger, bevor Sandra wieder sprach.
    „ Für mich sieht es so aus, als ob man hier einfach so aussteigen könnte. Einfach irgendwo eine Hütte bauen und von dem leben was die Natur hergibt.“
    „ Ich kenne viele, die das so gemacht haben“, sagte John zwischen zwei Bissen. „Aber wie ich dich kenne, würdest du bald fließendes Wasser vermissen, ein warmes Bad im Winter, Fernsehen und Internet.“
    „ Wahrscheinlich“, gab sie zu. „Aber der Gedanke ist verlockend, wenn man mal allem entkommen will.“
    „ Du bist jederzeit eingeladen, wenn du mal entkommen willst.“
    „ Danke. Ich werde es mir merken. Aber da sind ja noch die Bären, die ich beinahe vergessen hätte.“
    Er grinste. „Wir müssen ja nicht campen. Ich habe ein schönes Haus an einem See, dort sieht es noch genug nach Wildnis aus.“
    „ Oh, wirklich? Wie schön. Vielen Dank für die Einladung.“
    Er deutete eine spielerische Verbeugung an, soweit ihm das im Sitzen möglich war. Sie sagte nichts weiter dazu, wollte keine inneren Bilder schüren von John und ihr allein in einem warmen Haus, andere Dinge tun als fernsehen. Aufregende Dinge.
    Sie verschlang das Hasenfleisch wie eine Verhungerte. Doch es blieb noch eine Menge übrig.
    „ Wir werden die Reste vergraben und morgen fürs Frühstück wieder ausbuddeln. Wegen der Bären“, erklärte John. „Sie werden sonst heut Nacht drüber herfallen. Worin könnten wir das Fleisch einpacken?“ Sie sahen sich um, überprüften, was sie alles dabei hatten. Sandra förderte ein Päckchen Papiertaschentücher aus den Tiefen ihrer Handtasche. „Okay, das wird reichen. Etwas Sand zwischen den Zähnen schadet uns ja auch nicht.“
    Der Gedanke, eine dicke feuchte Bärennase könne in der Nacht an ihr schnuppern, brachte die Angst zurück. Wie immer sah John ihr das Unbehagen an.
    „ Keine Sorge, wenn das Essen weg ist und das Feuer brennt, kommen sie nicht näher.“
    „ Aber wenn wir einschlafen, wird das Feuer runterbrennen.“
    „ Ich werde es erst einmal wieder ordentlich anfachen und mich dann darauf verlassen, dass ich in der Nacht aufwache und mich darum kümmere. Mir tut eh alles weh, bei jeder Bewegung.“
    Sandra verzog mitleidig das Gesicht, aber er winkte ab. Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Jedes Mal, wenn er lachte, tat er dies vorsichtig und leise, und wenn er sich abrupt bewegte, konnte er ein Zusammenzucken nicht vermeiden.
    „ Ich gehe jetzt pinkeln“, verkündete er. „Und dann werde ich das Feuer vergrößern. Vielleicht kannst du schon mal die Matte weiter zurückziehen und dann darfst du schlafen.“
    Froh, direkte Anweisungen bekommen zu haben, tat sie wie befohlen. Das Gefühl, dass er sich im Hintergrund um alles kümmerte, das Vorausdenken übernahm, war angenehm und entspannend. Schließlich hatte er das Überlebenstraining überlebt und wusste, wie man ein Feuer in Gang hielt. Erschöpft von diesem Wandertag sank sie in einen tiefen Schlaf.
     
    Sie war in der Nacht nicht aufgewacht. Als sie die Augen öffnete, schien die Sonne, und John lag dicht bei ihr, einen Arm um ihre Hüften geschlungen. Das Feuer vor ihr brannte niedrig, aber es brannte. Sie versuchte zu hören, ob John wach war, ohne sich dabei umzudrehen und ihn zu wecken. Es fühlte sich so an, als schliefe er. Sie musste dringend auf die Toilette, beziehungsweise hinter einen Busch. Vorsichtig schälte sie sich aus seiner Umarmung. Ihre Knochen waren steif, als hätte sie sich die ganze Nacht nicht vom Fleck gerührt. John nahm ihre Bewegung wahr und zog seinen Arm weg. Sie stand auf und schaute auf ihn herunter. Er öffnete ein Auge und schloss es wieder. Seine friedlich entspannten Gesichtszüge ließen ihn jünger erscheinen. Jünger und verletzlicher. Das Verlangen, seine stoppelige Wange zu streicheln, war stark, doch sie verscheuchte es mit dem Gedanken, dass mütterliche Gefühle völlig fehl am Platz waren. Wenn schon, dann war sie es, die hier bemuttert werden musste.
    Auf dem Weg zum nächsten höheren Gebüsch sah sie ein Feld nahe den Bäumen, das ihr pinkfarben entgegenstrahlte. Ein blühendes Unkraut hatte sich dort niedergelassen. Wahrscheinlich durch die Flussnähe

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