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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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sondern sehr wahrscheinlich. Oder aber Sandra fiel westlichem Skeptizismus zum Opfer und versagte sich damit selbst, die Magie im Leben zu sehen.
    Florence hatte dieses Konzept verinnerlicht. Sie glaubte an Wiedergeburt und Esoterik. Für sie war alles von einer unsichtbaren Energie durchströmt und das Leben hatte einen tieferen Sinn. Sandra dachte darüber nach, ohne zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. Vielleicht sollte sie zu Hause ein Buch über die Indianerkultur lesen. John schaffte es immerhin, seinen Glauben mit einem Leben in der Geschäftswelt zu verbinden. Vielleicht hatte er es einfacher als sie, unterstützt von magischen Zeichen und einem besseren Verständnis für alles, was existiert.
    John zog seine Hand zurück und legte den Arm über die Augen, zum Schutz vor der Sonne. Stunden vergingen. Er schlief oder ihm war nicht nach Reden, sie konnte es nicht genau sagen. Als sie eben entweder in Hysterie oder Agonie verfallen wollte, magisches Rabenzeichen hin oder her, hörte sie plötzlich ein Motorgeräusch. Sie erhob ihre müden Knochen und spähte in die Ferne. In der vor Hitze flackernden Luft erkannte sie einen weißen Punkt. Die Sonne stand im Zenit und Sandras Magen quälte sie mit gähnender Leere.
    Sie hüpfte wild auf und ab und winkte dem weißen Auto zu, das sich langsam näherte. Warum konnten die Kanadier nicht schneller fahren, verdammt noch mal. Der Wagen hielt sich weit rechts und es sah so aus, als ob er tatsächlich anhalten würde. Aufgeregt rüttelte sie John ins Bewusstsein.
    „ Ja, ja, ich bin ja wach“, beklagte er sich. „Er wird anhalten, hier sind die Leute hilfsbereit, und auf dem Land ist jeder auf den anderen angewiesen“, erklärte er und versuchte sich aufzusetzen.
    Sie machte weiterhin den Fahrer auf sie aufmerksam. Das große amerikanische Schlachtschiff stoppte tatsächlich, wobei es schwankte, als wären die Stoßdämpfer aus Schaumgummi. Der Fahrer war ein älterer Herr, der sofort aus dem Wagen sprang.
    „ Was ist passiert? Kann ich helfen?“
    Sie hätte den Mann am liebsten geküsst. Die Worte blieben ihr in der Kehle stecken vor Erleichterung. John übernahm die Erklärungen und der Mann versprach sie nach Vancouver zu fahren. Eigentlich hatte er nicht so weit fahren wollen, doch man konnte sehen, dass John ärztliche Hilfe benötigte.
    Sie nahmen beide hinten im Wagen Platz, nachdem John verweigert hatte sich hinzulegen. Er legte einen Arm um sie und wischte wortlos ihre stummen Tränen von ihren Wangen.
     
    „ Wo ist John jetzt?“, wollte Rolf wissen, während er Sandra beim Kofferpacken zusah.
    „ Noch im Krankenhaus. Zwei Rippen sind gebrochen und er hat eine Gehirnerschütterung.“
    Sie schloss den Koffer und zog ihn vom Bett. Schließlich war ihr Gepäck doch noch geliefert worden. Sie brauchte nichts weiter zu tun, als die neu gekauften Sachen dazuzupacken.
    „ Und was wird aus der Präsentation?“
    „ John hat allem zugestimmt.“
    „ Und warum kommt es mir so vor, als seien Sie nicht glücklich darüber?“
    Rolf sah ihr prüfend ins Gesicht. Sandra zuckte die Achseln. Sie wusste selbst nicht warum. Sie wusste nur, dass sie sauer war.
    „ Warten Sie bitte, Sandra. Nicht so hektisch. Setzen Sie sich hin und erzählen Sie mir, was passiert ist.“
    Er drückte Sandra auf das Bett und setzte sich in den Sessel am Fenster.
    „ Ich habe doch schon alles erzählt.“
    „ Nicht, was im Krankenhaus los war.“
    Das Bild von John im Krankenhausbett erschien vor ihrem geistigen Auge. Seine Rippen waren bandagiert, das Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Ohne die Mähne ums Gesicht wirkte er strenger und draufgängerischer, sah aber immer noch verdammt gut aus. Sie erwartete ein persönliches Wort, doch er blieb geschäftsmäßig distanziert.
    „ Ich stimme der Präsentation zu. Nicht unbedingt aus Überzeugung, aber so kannst du wenigstens morgen nach Hause fliegen, nach all dem, was dir hier passiert ist.“
    Ganz der Gentleman. Sie konnte es nicht fassen, warum wollte er sie so schnell loswerden? Es war kein Mitleid in seiner Stimme, sondern der Klang seines gekränkten Egos. Als habe er eine Schlacht verloren. Und sie war die Gewinnerin. Doch hatte sie nicht wirklich gewonnen, sondern er hatte ihr den Gewinn großzügig überlassen. Sie kam sich nicht ernst genommen und dumm vor. Wut und Enttäuschung schnürten ihr die Kehle zu. Sie wollte nicht mit einem Mann im Krankenbett streiten und musste dem starken Fluchtimpuls nachgeben,

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