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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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nicht weitergehen. Man würde sie noch einweisen lassen. Sie packte ein und machte früh Feierabend, in dem Wissen, dass niemand sie aufhalten würde. In den vergangenen Jahren hatte sie so viele Überstunden angehäuft, dass sie problemlos für Monate hätte in Urlaub gehen können. Rolf winkte ihr im Flur zu und wünschte ihr einen schönen Tag.
     
    In Tantchens Wohnzimmer war es warm und gemütlich, dem Regenwetter zum Trotz, das draußen tobte. Ein früher Herbst hielt das Land in seinem stürmischen Griff. Sie schlürfte heißen Tee und wartete, bis Gudrun sich ihr gegenübersetzte, in der Hand einen Teller mit selbstgebackenen Keksen.
    „ So. Nun erkläre mir bitte, warum du vermutest, John wollte mehr als nur deinen Körper.“
    Sie seufzte und starrte in die Flamme der dicken cremefarbenen Kerze auf dem Tisch. Den silbernen Untersetzer hatte sie Gudrun im Vorjahr von einem Trödelmarkt mitgebracht. Er passte prima zur gediegenen Einrichtung.
    „ Das ist nur so ein Gefühl und ich glaube, ich bilde es mir nur ein, denn er ruft mich nicht mal an.“
    Gudrun winkte ab. „Das allein bedeutet gar nichts. Männer können da stur sein. Sie können schlecht damit umgehen, bei einer Frau eventuell abzublitzen.“
    Sandra dachte nach. Szenen aus ihrem Abenteuer mit John liefen vor ihrem geistigen Auge ab.
    „ Manchmal sah er mich an ... ohne Gier in den Augen, einfach nur ... bewundernd oder so, ich konnte das nicht recht deuten.“
    Gudrun nickte langsam. „Er war beeindruckt von deiner Persönlichkeit“, meinte sie.
    Sandra schnaubte. „Da wäre er der Erste.“
    „ Mach dich nicht kleiner als du bist, mein Schatz. Hast du erst mal dein Gegenstück gefunden, dann wirst du erkennen, dass du durchaus bewundernswert bist. Schau dich selbst an. Waren da Aspekte, die du an ihm bewundert hast?“
    „ Oh ja. Er bewegt sich mit der Grazie eines wilden Tieres, ist intelligent und sieht umwerfend aus. Er hat Humor und versteht meinen, und er verliert nicht die Nerven, wenn es brenzlig wird. Kurz gesagt, ich bewundere das ganze Paket.“
    Gudruns Schultern zuckten unter ihrem verhaltenen Lachen und sie sah sehr zufrieden mit sich aus. Hinter ihr sah Sandra im großen Wohnzimmerfenster, wie die stattliche Birke sich im Sturm bog und sich bedrohlich dem Haus entgegenlehnte. Ob es in Kanada bereits schneite?
    „ Und warum denkst du dann, dass er nur deinen Körper bewundert? Anziehung besteht aus mehr als das. Ich bin sicher, er kann eine ähnliche Liste über dich erstellen.“
    Sandra starrte Tantchen an. So hatte sie die Sache noch nicht betrachtet.
    „ Meinst du wirklich?“
    Gudrun nickte mehrmals.
    „ Natürlich. Kindchen, du bist blind vor Liebe und siehst nur, was an der Oberfläche zu sehen ist. Schau tiefer, dort sind alle Antworten verborgen.“
    „ Liebe?“, fragte Sandra.
    Tantchen hob ihre Augenbrauen.
    „ Sag bloß, du hast nicht gemerkt, dass du dich verliebt hast?“
    Überwältigt suchte Sandra nach Worten.
    „ Verliebt schon, aber echte Liebe? Ich glaube das ist eine Nummer zu groß. Dafür kenne ich ihn noch nicht gut genug. Und solche Gefühle werden schon gar nicht von ihm erwidert.“
    „ Woher willst du das wissen?“
    Der Wind heulte ums Haus und machte Sandra noch depressiver. Nichts war schlimmer zu ertragen, als Einsamkeit bei einem Wetter, das zum Aneinanderkuscheln im warmen Haus einlud.
    „ Weil er nicht anruft. Er interessiert sich einen Dreck für mich.“ Sie zog einen Schmollmund.
    „ Warum rufst du ihn nicht an?“, wollte Tantchen wissen.
    „ Das werde ich auf gar keinen Fall tun. Dann denkt er, ich laufe ihm nach, und lacht sich halb tot.“
    „ Aha. Du hast also dieselbe Angst vor dem Abblitzen wie er.“
    „ Natürlich“, gab Sandra zu. „So etwas tut weh. Ich glaube es würde mich umbringen.“
    Tantchen lächelte nachsichtig.
    „ Und du zweifelst, ob es echte Liebe ist.“
    Gudrun schüttelte den Kopf. Sandra sah sie verdrossen an und überlegte, ob die weise Tante mal wieder recht haben könnte.
    „ Darüber muss ich erst mal nachdenken. Ich werde dich anrufen, wenn es etwas Neues gibt. Wenn einer von uns beiden Feiglingen den ersten Schritt gemacht hat, oder auch nicht.“
    Tantchen schenkte sich Tee nach.
    „ Ja, tu das bitte. Ich bin schon ganz gespannt, wie euer Drama weitergeht.“
    Sie zwinkerte Sandra zu und brachte sie damit zum Lachen.
    „ Und nun zu einem erfreulicheren Thema. Was möchtest du nächsten Sonntag essen?“
     
    Sandra brütete über

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