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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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heilen zu wollen. Mitleid war nicht, was er suchte. Das hätte er bei seiner Mutter haben können, die ihm sein Lieblingsessen kochen und ihn wie einen kranken Hund anschauen würde.
    „ Ich heiße Sally“, sagte Blondchen und verzog ihre vollen Lippen zu einer sexy Schnute.
    „ John.“
    Sie erhob ihr Glas und wartete darauf, dass er es ihr nachtat. Dann sah sie ihm tief in die Augen. Lange Wimpern schwangen auf und ab wie Vogelschwingen, als sie blinzelte. Sie hatte unnatürlich intensive blaue Augen. John vermutete Kontaktlinsen hinter dem Phänomen.
    „ Auf die Liebe, John.“
    „ Mach besser auf den Sex draus.“
    Sally lachte, tief und vibrierend. John bekam eine Gänsehaut. Was für eine heiser erotische Stimme. Sie stießen an und kippten das kalte Getränk ab. John bestellte zwei neue. Sally erzählte ihm von ihrer Stripperkarriere und John lauschte desinteressiert. Ab und zu schaute er auf die Uhr, während der Whisky in Strömen floss. Spätestens um elf würde er sie abschleppen oder er würde so müde und betrunken sein, dass er zu nichts mehr in der Lage wäre. Als es Zeit wurde flüsterte er in ihr elegant geschwungenes, mehrfach beringtes Ohr.
    „ Ich möchte jetzt gehen. Wohnst du weit von hier?“
    Ungern nahm er One-Night-Stands mit zu sich nach Hause. Nur Beziehungen, die zumindest über mehrere Wochenenden anhielten, ließ er in sein Privatleben eindringen. Es war besser, wenn die Damen seine Adresse nicht kannten. Sally hier kannte nicht einmal seinen Nachnamen, und das sollte auch so bleiben.
    Sie lächelte siegesbewusst.
    „ Nein, es ist nicht weit. Du kannst deinen Wagen hier stehen lassen, wir können laufen.“
    Er nahm am Rande wahr, dass Sally eine Flasche Whisky mitnahm. Er schwebte über den Bürgersteig, glücklich und zufrieden mit sich und seinen Aufreißerfähigkeiten. Der Alkohol zirkulierte warm und beruhigend durch seine Adern und vernichtete die letzten Spuren seiner Depression. Sein Schweben war schwankend und er kicherte über jede geistlose Bemerkung der endlos brabbelnden Sally, was jedoch längst seiner bewussten Wahrnehmung entging.
     
    John erwachte mit dem Geschmack eines toten Tieres im Mund. Er stöhnte und drehte sich auf den Rücken. Sein Kopf hörte sich an wie eine Boing 747 im Leerlauf. Die Vorhänge an den Fenstern tauchten den Raum in einen rötlichen Schleier, aber vielleicht kam dieser Eindruck nur von seinen geröteten Augen.
    Er schaute neben sich und fand eine Blondine zwischen den zerwühlten Laken. Langsam dämmerte die Erinnerung. Sally war ihr Name, oder? Er konnte sich an nichts erinnern. Nicht einmal wie er in dieses Bett gekommen war. Blutrote Laken. Alles hier war rot. Er kam sich vor wie in der Blutlache eines Massakers.
    Er zog eine Grimasse und sein Blick fiel auf die schlafende Sally. Das blonde Haar verdeckte ihr Gesicht, aber der Rest von ihr stand seinen trägen Blicken zur Verfügung. Dralle Brüste, an die er sich nicht erinnern konnte, solariumgebräunte Haut, Bauchnabelpiercing, ein erigierter Penis.
    Ein Penis ? Was zum ...?
    John blinzelte, rieb sich die wunden Augen und sah noch einmal hin. Kein Zweifel. Eindeutig ein Penis. Johns Kehle entfuhr ein unmenschlicher Schrei und er sprang aus dem Bett. Heftiger Schwindel zwang ihn auf die Knie. Sally setzte sich mit einem Ruck auf.
    „ Was ist los, mein Süßer?“
    John starrte sie an, nackter Horror auf seinen Zügen.
    „ Oh. Du kannst dich wohl an nichts erinnern?“, fragte sie unschuldig.
    „ Du ... du ... bist ein ... ein MANN?“
    Sally verzog den Mund ob der albernen Frage.
    „ Erzähl mir nicht, du hast das nicht bemerkt.“
    John, noch immer auf Knien, fuhr sich mit den Händen übers Gesicht und durchs Haar. Er konnte es nicht fassen. Wie hatte ihm das passieren können?
    „ Nein! Natürlich habe ich es nicht bemerkt, sonst wäre ich nicht hier.“
    Sally machte ein enttäuschtes Gesicht.
    „ Schade. Ich dachte, du musst schwul sein, so geil wie du aussiehst.“
    „ Schwul? Oh nein, oh Gott nein, ich bin nicht schwul!“
    Blankes Entsetzen packte ihn und er hatte Mühe, sich nicht zu übergeben. Das Zimmer kreiste um ihn, und die Vorstellung, was er vielleicht getan hatte, ohne sich daran zu erinnern, brannte ein Loch in seine Brust. Hatten sie etwa ... hatte er wirklich ... konnte er tatsächlich so betrunken werden, dass es ihm egal war? Nein, niemals, vermutete er.

„ Was wäre denn so schlimm daran?“, wollte Sally wissen. In ihrer Stimme schwang ein

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