Kein Kanadier ist auch keine Lösung
die Papiere gestern eingereicht. Jürgen flippt aus, wenn er davon erfährt.“ Sie seufzte.
Sandra umarmte sie. „Falls du Hilfe brauchst, ruf mich an. Tag oder Nacht.“
Flo ließ von ihr ab und lächelte geheimnisvoll.
„ Was ist los?“, wollte Sandra wissen.
Flo holte tief Luft. „Ich hab dir noch nicht alles erzählt. Yogi Bär hat mich zum Essen eingeladen.“ Sie ließ das Kichern eines Teenagers hören.
Sandra wurde blass.
„ Im Ernst? Und, hast du angenommen?“
Sie nickte mehrmals. „Das ist ein Mann, der mich versteht. Sein richtiger Name ist übrigens Richard, er ist Physiotherapeut und macht das Yogi-Ding nur als Hobby. Er ist ein ganz normaler Typ. Wir haben stundenlang telefoniert und es war himmlisch!“
Sandra schnappte nach Luft. „Himmlisch ist toll, wirklich. Aber du sagtest doch, dass du Jürgen noch liebst.“
„ Ich sage ja nicht, dass ich jetzt plötzlich Richard liebe, sondern lediglich, dass sich da etwas entwickeln könnte, das mir über Jürgen hinweg hilft. Du brauchst dir also keine Sorgen um mich zu machen.“
In Sandras Kopfkino spielte eine Szene mit Flo und Yogi Bär, zusammen beim einträchtigen Om-singen und Brüste massieren. Sie fand, das passte ganz gut.
„ Okay. So gesehen hast du recht. Und ich bin froh, dass du jemanden gefunden hast, der dir die Langeweile vertreibt. Aber pass beim Sex auf. Der Mann hat keine Knochen, und du könntest dich in eine Kamasutra-Stellung geknotet in der Notaufnahme wiederfinden.“
Florence kriegte sich nicht mehr ein vor Lachen.
Rolf blieb stur. Sein hübsches Gesicht bewölkte sich.
„ Jetzt habe ich aber genug. Ihre Entscheidung, den Einjahresvertrag einfach so als ungültig zu betrachten und wieder herzukommen, konnte ich eben noch so bei der Geschäftsführung vertreten. Aber Ihre Weigerung, mit dem kanadischen Büro zusammenzuarbeiten, kann ich denen nicht schonend beibringen. Private Gründe interessieren die nicht, Sandra. Sie haben einen Arbeitsvertrag unterschrieben.“
Oh, oh, das bedeutete Ärger. Und auf Ärger hatte sie keine Lust. Sie ließ die Schultern hängen. Natürlich hatte er recht. Das war Arbeitsverweigerung und könnte sie den Job kosten. So viel Verständnis konnte sie nicht erwarten. Man hatte ihr aufgetragen, das ins Stocken geratene Kanadaprojekt zu Ende zu führen, denn immerhin war es ihr Kind, trug ihren Stempel. Und der Kunde war kurz davor, ihnen das Ganze vor die Füße zu werfen. Ein anderer Kollege war an Johns Sturheit gescheitert. Offenbar verzögerte John ein Weiterkommen, indem er telefonisch nicht erreichbar war und sein Team mit absurden, verzweifelt anmutenden Vertröstungen aufwartete. Zwar hatte er Sandras Schokoriegelprojekt zugestimmt, doch die weitere Ausführung kam einfach nicht voran. Es sah ganz so aus, als ob das Schicksal in seiner unendlichen Weisheit ein erneutes Treffen mit John auf dem Plan hatte. Sie nahm den Blick vom Fenster, durch das sie in den milchigen Wintertag gestarrt hatte, straffte die Schultern und versuchte zuversichtlich und stark zu wirken.
„ Okay, ich gebe mich geschlagen. Wann muss ich fliegen?“
Rolf nickte und seufzte erleichtert.
„ Gestern.“
In Ermangelung einer Zeitmaschine nahm Sandra dann doch den nächstbesten, unverschämt teuren, weil kurzfristigen Flug am Tag darauf. Der Rückflug sollte eine Woche später sein.
Eine ganze Woche in der Höhle des Löwen.
Freudige Erwartung mischte sich mit nackter Panik. Wie sollte sie sich ihm gegenüber verhalten? Als wäre nichts gewesen? Als seien sie alte Freunde? Als sei er nicht der Mann, der regelmäßig mit seiner Sekretärin flirtete, während er ruhigen Gewissens des Nachts seine Bedürfnisse mit Sandra gestillt hatte? Das schamvolle Gefühl der Unzulänglichkeit schnürte ihr die Kehle zu. Konnte sie nicht seine alles erfüllende Partnerin sein, so wäre sie lieber gar nichts für ihn. Warum war sie ihm nicht genug? Warum hatte er den Drang nach anderen Frauen zu schauen, wo er doch sie hatte? Fragen, so hirnzermarternd und aussichtslos, wie über die Unendlichkeit des Alls nachzudenken.
Sie hatte ihm am Vorabend ein Email in die Firma geschrieben. Kurz und sachlich hatte sie ihn darüber informiert, dass sie anreisen würde, weil er schon wieder das Projekt sabotierte. Als sie am Morgen das Haus verließ, war keine Antwort da. Entweder war er von seiner Gewohnheit abgekommen, jeden Morgen als Erstes seine Emails abzurufen, oder es interessierte ihn einen Dreck. Nervös
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