Kein Kanadier ist auch keine Lösung
„Durch das Beobachten im Allgemeinen, meine ich.“
„ Aber ja. Ich habe mich immer gewundert, warum mein Leben so öde ist. Jetzt habe ich eine Erklärung. Der Fuchs liegt einfach nur in Stellung und beobachtet.“
Er grinste zufrieden. Nun ja, wenn es ihm einen Lebenssinn gab, war nichts dagegen einzuwenden. Wahrscheinlich musste er sich jetzt nicht mehr schuldig fühlen, weil er oft den Fernsehbildschirm beobachtete. Sie hatte nicht gewusst, dass Yogi Bär auch praktische Lebenshilfe gab. Bernd drehte sich um und sprach Reinhold an. Sandra nutzte die Gelegenheit und lehnte sich gegen Flo.
„ Danke für diesen Abend. Ich amüsiere mich köstlich. Aber muss ich unbedingt die Hundekuchen essen und die Lauge trinken?“
„ Das ist keine Lauge, das ist Yogi Tee. Sehr energetisch und gesund.“
„ Schmeckt aber wie aufgebrühte Chilischoten mit Spekulatiusgewürz. Damit kann man bestimmt alte Möbel von der Farbe befreien.“
Flo quittierte das mit einem Augenverdrehen und deutete unauffällig auf Monika, die sich inzwischen von all den aufregenden Ereignissen erholt hatte.
„ Wie findest du die Tatsache, dass Yogi Amaranda an ihrer Aura sehen konnte, dass sie sich mit ihrem Mann gestritten hat?“
Sandra erkannte den provokativen Ton, mit dem Flo sie immer zu überzeugen versuchte.
„ Im ersten Moment beeindruckend. Aber dann könnte ich mir auch vorstellen, dass er genau weiß wie es in ihrem Leben aussieht, denn sicher hat sie es schon mal im Gespräch erwähnt. Ihr trefft euch ja oft genug, da lernt man sich kennen. Siehe Bernd, die Plappermaus. Er brauchte es sich also nur zusammenzureimen.“
Flos Lippen wurden schmaler.
„ Du bist unverbesserlich. Hast du denn bei den Indianern nichts gelernt?“
Nein. Hatte sie nicht. Sie war noch immer genauso skeptisch wie eh und je. Joe versuchte nie sie religiös zu beeindrucken. Er behielt seinen Glauben für sich. Genau wie John.
Eine Hand legte sich sanft auf ihre Schulter. Sie drehte sich um und schaute in das Gesicht von Yogi Bär.
„ Wie gefällt es dir bei uns?“
„ Es ist ... sehr interessant.“
Yogi Amaranda lächelte unergründlich.
„ Das glaube ich. Du hast eine Aura des geistigen Suchens um dich.“
Noch eine Aura? Sie nahm sich zusammen und schaffte es, ernst zu bleiben.
„ Eigentlich suche ich nur nach dem richtigen Mann.“
Er nickte allwissend.
„ Auch das ist eine Art geistige Suche. Schließlich soll er ja der Richtige sein. Dazu müssen die passenden Seelen zusammenkommen. Aber du bist in guter Begleitung.“
Sie blinzelte. „Wie meinst du das?“
„ Ein geistiges Tier begleitet dich. Ein Totem. Weißt du, was das ist?“
Sie konnte nur nicken. Die Indianer glaubten daran, dass jeder Mensch unter dem Zeichen eines bestimmten Tieres geboren wurde, ähnlich den Tierkreiszeichen der Weißen. Im Laufe des Lebens kamen andere Totems dazu, andere verabschiedeten sich, je nachdem, welche geistige Unterstützung durch die Aspekte dieser Tiere der Mensch im jeweiligen Lebensabschnitt brauchen konnte. Jetzt wurde also auch ihr eine Offenbarung erteilt. Erst der Bernd , dann sie. Hoffentlich war es keine Maus.
„ Ein Rabe begleitet dich.“
Sandra machte Mundbewegungen wie ein Goldfisch im Glas. Wie konnte er von dem Raben wissen? Außerdem war das Johns Indianername und nicht ihrer. Oder bedeutete es, dass John sie begleitete? Oder sie hatten das gleiche Totem? Wie auch immer die Antwort lautete, Yogi Bär hatte sie soeben mächtig beeindruckt. Vielleicht war an diesen Dingen doch mehr dran, als sie zuzugeben bereit war. Warum, zum Teufel, musste er ausgerechnet einen Raben bei ihr sehen? War das Tierreich nicht groß genug? Noch bevor sie dem Yogi irgendwelche Fragen stellen konnte, ging er zurück auf seinen Platz.
„ So, nun machen wir weiter. Wenn ich euch auf die Matten zurückbitten darf.“
Eigentlich hatte sie vorgehabt den Mann zur Rede zu stellen wegen des Einschwingens der Medikamente. Aber nun war sie zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt. Wie konnte das nur sein? Zufall? Hatte der Yogi rein zufällig ein Tier erraten, das tatsächlich etwas mit ihrem Leben zu tun hatte?
Alle strömten zu ihren ursprünglichen Plätzen. Im Grunde war es ganz egal, denn keiner hatte seine eigene Matte dabei. Es musste sich um ein urmenschliches Verhalten handeln, immer dorthin zurückzugehen, wo man am Anfang gesessen hat. Niemandem würde es einfallen dieses ungeschriebene Gesetz zu brechen.
Die Klangschalen
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