Kein Kerl zum Verlieben
müssen. Kurz vor Mittag erschien Herr Wattanaprusek und fragte nach dem Brief an die Firma Thai-Tool-Consult.
„Welcher Brief?“, fragte Ricarda.
„Das Dankschreiben darüber, dass sie ihre Arbeiter bei uns versichern wollen und der Bitte nach dem Termin eines persönlichen Gesprächs. Ich habe Ihnen doch das Memo auf den Schreibtisch gelegt“, sagte Herr Wattanaprusek leicht ungehalten.
Mit Memo meine er Notizzettel, die er vollkritzelte und nach denen sie die Geschäftsbriefe formulierte und abtippte. Ricarda hatte keinen solchen Zettel auf ihrem Schreibtisch vorgefunden. Das versuchte sie ihrem Chef klarzumachen.
„Frau Schubert, ich habe persönlich das Memo auf Ihren Schreibtisch gelegt. Heißt das, die Notiz ist verschwunden? Der Brief sollte heute noch in die Post gelangen!“
„Aber ich ...“
„Kommen Sie doch bitte in fünf Minuten in mein Büro, ja, Frau Schubert?“
Ricarda verstand weder, wo der Zettel abgeblieben war, noch, warum sich der Chef so ereiferte. Sie nickte beklommen.
Zur angegebenen Zeit erschien sie im Vorzimmer und bekam einen etwas längeren Blick der Sekretärin. Die Thaidame ließ sich nicht anmerken, was sie dachte, verzog keine Mine und bat Ricarda, in das Büro des Abteilungsleiters einzutreten. Herr Wattanaprusek thronte hinter seinem Schreibtisch und hieß sie mit einer Handbewegung, vor das Möbelstück zu treten. Ricarda durfte sich nicht einmal setzen und musste stehen bleiben.
„Frau Schubert, Ihre Arbeit ließ bisher wenig zu wünschen übrig. Jetzt, nachdem Sie sich eingearbeitet haben und ein vollwertiges Mitglied unseres Teams geworden sind, sollte sich daran nichts ändern. Ich hoffe, wie verstehen uns. Ich habe für Sie noch einmal notiert, was Sie in den Brief an die besagte Firma schreiben und bitte um umgehende Erledigung.“
„Sofort“, sagte Ricarda nur, nahm das Papier entgegen und wollte sich zur Tür wenden.
„Eines noch, Frau Schubert. Ich hatte Sie auf den Wunsch meiner Frau zum Loy Krathong Fest eingeladen und hätte nicht gedacht, dass Sie das falsch verstehen könnten. Ich weiß nicht, ob Sie über unseren Ausflug geredet haben, aber es war ja kein Geheimnis. Ob Sie sich jetzt bessere Chancen, in der Firma aufzusteigen, ausmalen oder nicht, kann ich nicht nachvollziehen. Doch ich bin nicht erfreut darüber, dass wir beide unter den Angestellten Gesprächsthema Nummer Eins sind. Ich hoffe, Sie haben auch dies verstanden! Das war alles.“
Ricarda war sich sicher, mit ihrem Kopf jede Tomate zum Erblassen bringen zu können, sie würdigte die Sekretärin keines Blickes und verließ, da es gerade Mittagszeit war, das Gebäude. Sie wollte niemanden sehen. Den verdammten Brief würde sie anschließend schreiben. Sie hatte den Chef verbal schwer verstehen können und war sich nicht sicher, überhaupt alles, was er angedeutet hatte, verstanden zu haben, auch vom Sinn her. Ein Memo war verschwunden und der Chef war sauer, weil die Kollegen über ihn und sie tratschten. Was, in Gottes Namen, konnte sie dafür? Sie hatte den Zettel nicht verschlampt und sie hatte sich nicht gebrüstet, mit dem Chef zum Lichterfest gewesen zu sein. Sie verstand nicht, warum Herr Wattanaprusek ihr die Schuld an dem Gerede gab. Wenn ihn so sehr störte, dass man über ihn sprach, sollte er den Verursacher – Sith – zur Rede stellen und nicht sie! Gern hätte sie jetzt mit Susi gesprochen, sich von ihr trösten lassen, doch die Freundin war leider tausende Kilometer entfernt.
Hunger verspürte sie keinen mehr, also machte sie sich schweren Herzens auf, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Sie tippte den Geschäftsbrief, druckte ihn aus und – fand die Adresse der Firma nicht im Computer. Die Firma selbst war in der Datenbank, doch die Adresse wurde nicht angezeigt. Über die Verknüpfung mit der Adressdatenbank sollte sie die Adresse finden können, zumal sie sich erinnern konnte, sie selbst eingegeben zu haben. Natürlich erinnerte sie sich nicht mehr an den genauen Wortlaut, an die Straße und den Ort, aber dafür war ja die Datenbank da. Nur zeigte diese keine Adresse an. Helfen konnte nur Sith, er kannte sich mit der Software am Besten aus. Verflixt, das fehlte ihr noch, jetzt ihn um Hilfe anbetteln zu müssen. Aber hatte sie eine Wahl? Nein! Ricarda zwang sich zur Ruhe und atmete ein paarmal tief durch, dann ging sie los. Er saß in seinem neuen Büro einen Gang weiter und bat hereinzukommen, als sie anklopfte.
„Sawatdee khaa, ich kann die Adresse
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