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Kein Kerl zum Verlieben

Kein Kerl zum Verlieben

Titel: Kein Kerl zum Verlieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nan Dee
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bringen. Und das wollte Ricarda, sie wollte ihm in diesem Augenblick nahe sein.
    Zuerst sah er sie erneut forschend an, als wollte er herausfinden, ob sie es ernst meinte, oder ob sie es wert war, dass er fortfuhr. Ricarda schaute über das Wasser und gab Oliver Gelegenheit, sie zu betrachten. Sie wandte nicht den Kopf, um ihn anzusehen, wartete nur auf seine weiteren Worte.
    Dann sprach er weiter. „Es war auf der Rückfahrt vom Essen nach Hause. Ein besoffener Autofahrer raste bei Rot über die Ampel und fuhr ihnen in die Seite. Meine Eltern waren gleich tot, die Wucht des Aufpralls hatte sie zerschmettert. Jan kam ins Krankenhaus, er lag im Koma.“
    „Oh mein Gott!“ Ricarda konnte nicht anders, sie ergriff seine Hand.
    „Ich erfuhr erst Tage später von dem Unfall, ich war in Chiang Mai zu Werbeaufnahmen für ein Haarwasser. Was für ein Scheiß!“ Er riss seine Hand los und schlug sie auf den Boden.
    „Hey, mach das nicht“, sagte Ricarda leise. „Es war auch kein Scheiß, du hast deinen Job gemacht. Mach dir keine Vorwürfe, wenn du in Deutschland gewesen wärst, hättest du es auch nicht verhindern können. Du wärst jetzt auch tot.“
    „Vielleicht wäre das besser“, murmelte er.
    „Auf keinen Fall!“ Was sollte sie noch sagen? Ricarda überlegte und sah sich um. Von den Wattanapruseks war nichts mehr zu sehen. Das fröhliche Treiben um sie herum ging weiter. Es kam ihr jetzt unpassend vor.
    „Ich habe den nächsten Flieger genommen und bin nach Deutschland geflogen. Ich war bei Jan im Krankenhaus. Er lag, an tausend Schläuche angeschlossen, blass, winzig und durchscheinend im Bett. Es piepte, fauchte und gluckerte, nur er selbst gab keinen Laut von sich. Ich habe seine Hand gehalten und geweint. Zwei Tage später zeigte der Hirnmonitor keine Kurve mehr an und die Ärzte sagten mir, er sei hirntot. Sie schalteten die Maschinen ab.“
    „Wenn du trauerst, warum sitzt du dann hier?“ Sie fragte sich, ob diese Frage klug gewesen war. „Ich meine, warum hier, unter all den fröhlichen und feiernden Leuten?“
    „Ich wollte unter Menschen sein. Ich habe niemanden mehr, weder in Deutschland, noch hier.“
    Ricarda schwieg. Der Tod war etwas so Schlimmes für sie, so grausam und endgültig, damit konnte sie nicht umgehen. Selbst war sie noch nie direkt mit ihm konfrontiert worden, ihre Familie lebte noch und sie hoffte, dass dies noch sehr lange so bliebe.
    Abrupt stand Oliver auf. „Ich hoffe, ich habe dir jetzt nicht das Fest versaut.“
    „Nein, Quatsch! Wir können woanders hingehen und weiterreden, wenn du willst.“
    „Danke, nein. Ich gehe nach Hause.“ Er lachte freudlos auf. „Nach Hause ... Mach’s gut.“
    „Warte, ich komme mit“, bot Ricarda an.
    Oliver schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er hart, drehte sich um und ging. Ricarda sah ihm lange nach. Dann stand sie selber auf und setzte sich in Bewegung. Langsam ging sie zu ihrem Haus zurück. Von der festlich-fröhlichen Stimmung ringsum sprang kein Funke mehr zu ihr über.
    Lange lag sie später im Bett und konnte nicht einschlafen. Sie dachte daran, wie sie reagieren würde, wenn sie erfuhr, dass ihre Eltern tödlich verunglückt wären. Ihr Verhältnis zu ihnen war sehr locker und sie besuchte sie selten. Aber es waren nun mal ihre Eltern, ihre Familie. Sie wusste nicht, was sie dann täte.
    Sie wälzte sich aus dem Bett und griff sich ihr Handy. In Deutschland war es erst später Nachmittag. Sie wählte die Nummer ihrer Eltern und freute sich, als sie die Stimme ihrer Mutter hörte.
    „Hallo Mutter, ich bin‘s, Ricarda. Wie geht es euch?“
    „Rida, schön, dass du anrufst oder ist etwas passiert?“
    ‚Rida ... lange nicht gehört‘, dachte Ricarda. Nur ihre Mutter nannte sie mit dieser Abkürzung ihres Namens. „Nein, es ist alles in Ordnung. Und bei euch?“
    „Alles wie immer. Dein Vater fegt im Garten das Laub zusammen, dann wollen wir Abendbrot machen. Du bist doch in Tunesien, wie ist es da?“
    „Ich bin in Thailand, Mutter. Hier ist es toll. Die Sonne scheint fast jeden Tag und es ist heiß. Die Arbeit läuft gut und alle sind nett zu mir. Wie geht es Onkel Albert?“
    „Wie soll es dem alten Junggesellen schon gehen, mit über sechzig Jahren und ohne Frau. Er wird immer wunderlicher.“
    „Na, du bist ja da. Es war schön, deine Stimme gehört zu haben. Jetzt muss ich aber aufhören, sonst wird es zu teuer. Außerdem ist es hier schon Nacht und ich muss morgen Arbeiten. Grüße alle von

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