Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
Vom Netzwerk:
Minuten später saß ich neben Birgit auf einer rot karierten Wolldecke. Der Himmel war strahlend blau – von Regen keine Spur.
    Birgit, Robert, irgendwelche Nachbarn – nicht Ulrich – und ein paar Arbeitskollegen scharten sich um das Feuer. Ich grüßte kurz mit einem möglichst freundlichen »Hallo« in die Runde, was mir nicht leichtfiel.
    Birgit sah mir sofort an, wie ernst die Lage war. Ich lehnte meinen Kopf an ihre Schulter und erzählte von der Ole-Misere und dem Astramann ohne Astralkörper. Obwohl sie mir im analytischen Denken weit voraus war, fiel ihr dazu auch nichts mehr ein. Also wunderten wir uns zusammen. Fühlte sich gleich viel besser an, zumindest für den Moment.
    »Willst du ’ne Wurst?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ne, ’nen Mann«, seufzte ich. »Aber den gibt es leider nicht.«
    »Klar, gibt es ihn«, konterte Birgit.
    »Es gibt ihn nicht.«
    »Doch.«
    »Nein.«
    »Natürlich gibt es ihn.«
    »Und wo bitte schön?«
    Ich setzte mich wieder aufrecht hin und sah mich um. Überall saßen leicht bekleidete junge und weniger junge Leute in Gruppen um einen Grill oder ein Lagerfeuer, nebeneinander, Arm in Arm, knutschend, Händchen haltend. Etwas anderes sah ich nicht. Flirthochsaison. Herrlich. So sehr war mir das noch nie aufgefallen.
    Warum auch immer, nun musste ich zu allem Überfluss auch noch an ihn denken, meinen Ex. Um das möglichst schnell abzubrechen, dachte ich an Udo, der nicht Udo war, und schließlich an Marc, der Sophies Marc war. Dann sah ich zu Birgit. Meiner Birgit.
    Sie war inzwischen aufgestanden, um ihre Wurst umzudrehen und versuchte dabei, den Qualm nicht ins Gesicht zu bekommen, was bei der Anzahl der Grillstationen auf diesem schmalen Stück Strand kaum zu vermeiden war. Vermutlich roch ich wie geräucherter Schinken, wenn ich nach Hause kam. Immerhin würde es keinen stören. Man musste die Dinge positiv sehen.
    Mit einem Pappteller und einer schrumpeligen, viel zu dunklen Wurst kam sie zurück.
    »Am besten melde ich mich bei ›Essen auf Rädern‹ an und hoffe, dass mir in den nächsten Jahren zumindest einmal am Tag ein attraktiver junger Mann etwas Leckeres vor die Tür stellt. Vielleicht kommt er ja hin und wieder auch mal rein. Oder ich melde mich doch bei gebraucht.de an.«
    »In irgendeinem Internetportal findest du ihn sicher nicht. Das sind doch eh alles schwer vermittelbare Fälle. Neben dem Beweis dafür hast du ja gerade in der Dual Bar gesessen«, meinte Birgit, während sie mir ihren Teller hinhielt.
    Ich nahm ihn, ohne zu wissen, was ich damit sollte. Birgit griff nach dem Ketchup und schüttelte ihn.
    »Bin ich ja auch«, sagte ich mit Blick auf die schrumpelige Wurst vor mir.
    »Du bist alles andere als schwer vermittelbar. Du steckst offenbar gerade in einer schweren Krise, und in diesem Zustand findest du sicher nicht den richtigen Mann.«
    Sie schüttelte die Ketchupflasche und versuchte, den Rest herauszudrücken, was nicht schön klang.
    Ich nahm schließlich doch noch eine Wurst – mit Senf – und konnte die Krise vorübergehend vergessen. Zumindest die eine. Die nächste kam geradewegs auf mich zu.
    »Ich wundere mich übrigens auch«, hörte ich plötzlich Birgit sagen, die wie hypnotisiert ins Feuer starrte.
    »Worüber wunderst du dich?«
    »Darüber, was man alles in Kauf nehmen muss, damit die einfachste Sache der Welt klappt.«
    Ich dachte kurz nach. Die einfachste Sache der Welt?
    Birgit war in einer Kinderwunschpraxis gewesen. Sie erzählte mir irgendwas von Eizellen, Hormonen und davon, dass das kein Sonntagsspaziergang sei. Und dann erzählte sie von der Erkenntnis, dass alle Menschen gleich seien – vor dem Reproduktionsmediziner.
    Ich versuchte, ihr zu folgen und auch ein wenig interessiert zu wirken, während ich beobachtete, wie auf der anderen Seite der Elbe ein Kran Container von einem Frachter hob. Was da wohl drin war?
    »Jetzt soll ich morgens und abends Nasenspray benutzen, das meinen Hormonhaushalt komplett runterfährt, und Pillen schlucken, dann jeden Morgen Spritzen in den Bauch setzen, die den ausgeschalteten Hormonhaushalt wieder anschalten. Und alle drei Tage muss ich zum Ultraschall. Alles nur, um an die fünfundzwanzigprozentige Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, ranzukommen, die jede normale Frau hat – ohne diesen Wahnsinn.«
    Ich sah sie fragend an. Was hatte sie gesagt?
    »Ich hab mir das mal in Ruhe alles durchgelesen. Die ganzen Packungsbeilagen, meine ich. Hätte ich vermutlich lieber lassen

Weitere Kostenlose Bücher