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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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zu fragen: Warum?
    »Gute Größe«, sagte er und trank mit einem Schluck den Rest aus der Bierflasche, die man ihm gerade erst vor die Nase gestellt hatte. Jetzt interessierte es mich doch.
    »Wozu?«
    Egon brummte irgendwas Unverständliches, wich mir aus und bestellte sich noch ein Bier. Astra. Das einzig Coole an diesem Mann, der ansonsten so gar nicht in diese Bar passte. Hätte man jetzt ein Foto von ihm geschossen, wie er hier saß, hätte man gut darunter schreiben können: In diesem Bild ist ein Fehler eingebaut, bitte finden Sie ihn!
    Egon hatte sich gut vorbereitet auf diesen Abend. Er hatte allerdings nicht ganz verstanden, worum es ging. Seine Selbstdarstellung klang ein wenig zu auffällig nach Bewerbungsgespräch. War es ja im Grunde auch. Er wusste nur noch nicht, dass er die Stelle nicht bekommen würde.
    Ich tat so, als hörte ich ihm weiter zu, und überlegte, was es war, was mich davon abhielt, ihn attraktiv zu finden. War es seine nicht vorhandene Körperspannung? Diese weiße, weiche Haut? Der Bübchenausdruck im Gesicht? Oder doch die Karohose und das karierte Flanellhemd? Ich war mir nicht sicher.
    »Und du?«, fragte er und ertappte mich dabei, dass ich nicht zugehört hatte.
    »Ich?«
    »Ja, du. Was fährst du für ein Auto?«
    »Gar keins.«
    »Kein Geld?«
    »Nein, kein Auto. Wozu soll ich mir eines anschaffen? Damit ich abends eine Stunde um den Block fahren und einen Parkplatz suchen muss?«
    »Hmm, also ich könnte gar nicht ohne. Zur Arbeit vielleicht noch, aber am Wochenende zum Fußball – ne, also das ginge nicht ohne meinen Astra.«
    Flaschen klirrten. Der Barkeeper, der unter dem Tresen herumhantierte, kam kurz mit dem Kopf hoch und sah uns an.
    »Eins oder zwei?«, fragte er.
    »Hä?«, fragte Egon.
    »Keins, danke«, erklärte ich. »Er fährt Astra. Opel Astra.«
    Wir sahen uns an, der Barkeeper und ich, und dachten das Gleiche: Wir waren nicht füreinander bestimmt. Egon und ich.
    Ich wollte trotzdem nett sein und gab ihm noch einen Tipp. »Vielleicht schaffst du dir einfach einen Hund an. So wie ich. Das ist wirklich besser als jede Kontaktanzeige.«
    »Ich habe eine Tierhaarallergie.«
    Der Wasserhahn tropfte.
    Es hatte keinen Sinn. Ich zahlte und ging.
    Kaum hatte ich die Tür geöffnet und war raus aus diesem schlechten Film, musste ich unwillkürlich den Kopf schütteln. Was tat ich hier eigentlich? Ich wunderte mich über mich selbst. Was war nur geschehen? Früher kam ich mit mindestens ein oder zwei neuen Telefonnummern nach einem Barbesuch nach Hause. Oder gleich mit der dazugehörigen Person. Und heute? War das reiner Pessimismus oder Realität, dass es weniger Männer gab, die mich interessierten? Und wo bitte waren die anderen geblieben? Sie können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.
    Ich war frustriert. Den perfekten Typen gab es nicht. Nicht mehr. Es gab sie noch, als wir alle zehn Jahre jünger waren, aber jetzt traf man nur noch Secondhand-Männer, getrennt oder geschieden, die man sich dann am besten noch jedes zweite Wochenende mit dem ein oder anderen Kind beziehungsweise sonstigem Anhang teilen musste. Davon gab es einen Haufen – aus gutem Grund. Wer wollte schon so einen haben? Daneben existierte ein zweiter nicht unbeträchtlicher Haufen von Männern, die allesamt noch eine andere Macke besaßen: Sie wollten sich nicht binden. Noch schlimmer war die Kombination aus beidem: ungezügelter Freiheitsdrang inklusive Hinterlassenschaften früherer Beziehungen.
    Einen Mann, Mitte/Ende dreißig, intelligent, attraktiv, frei und von dem Gedanken besessen, eine Frau fürs Leben und nicht nur für die Waagerechte zu finden – das war vermutlich eine Illusion.
    Zu Hause war es still. Zu still. Nicht einmal die Französin aus dem Haus neben mir übte Geige.
    Mein Handy klingelte. Birgit.
    »Hey, was machst du?«
    »Ich wundere mich.«
    »Das soll vorkommen. Was ist der Anlass?«
    »Die globale Abwesenheit attraktiver, intelligenter Männer, die nicht minderjährig sind, vergeben oder unter Bindungsängsten leiden.«
    »Erstens: Warum fällt dir das gerade jetzt auf? Und zweitens: Was ist mit Ole?«
    »Erstens und zweitens: keine Ahnung.«
    »Das klingt nicht gut. Da hilft nur eins: Du kommst zu uns. Wir sitzen am Elbstrand, kurz vor der Strandperle und grillen. Dann können wir uns zusammen wundern. Das ist sicher besser als allein.«
    Ich schlüpfte in meine Flip-Flops, schnappte mir meine Tasche, Waltrauds Leine samt Waltraud und ging los. Fünfzehn

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