Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
Vom Netzwerk:
unter dem Schreibtisch gelegen hatte, sprang auf, in der Hoffnung es ginge jetzt los. Das tat es ja auch, nur nicht für sie.
    Ich wandte mich wieder an meinen Chef. »Danke.«
    Mein Handy, das auf dem Regal zwischen Günther und mir lag, vibrierte. »Ilka« stand auf dem Display.
    Er sah es, ich sah es, wir sahen uns an. Und als könnte ich Gedanken lesen, griff ich blitzschnell nach meinem Telefon. Zu spät. Er hatte es schon genommen, und trotz strenger Blicke und des Versuchs, es ihm zu entreißen, begrüßte er Ilka, als wäre sie eine alte Busenfreundin.
    Die Nachrichten waren zu Ende, und die Kollegin wedelte hinter dem Panzerglas mit ihren Zetteln. Nicht weil sie schwitzte, sondern weil sie wollte, dass ich schleunigst wieder übernahm.
    Ich wedelte zurück und gab ihr zu verstehen, dass sie sich etwas ausdenken sollte, schließlich konnte ich gerade nicht. Sie schüttelte genervt den Kopf, wurde dunkelrot vor Wut und zeigte mir durch ihre Gestik, dass sie mit der Situation völlig überfordert war und überhaupt nicht darauf vorbereitet. Da hatten wir ja ausnahmsweise etwas gemeinsam.
    »In welchen Abständen kommen die Wehen jetzt?«
    Ich wusste gar nicht, dass er sich mit so etwas auskannte. Wein, das war sein Spezialgebiet, aber Wehen?
    »Kein Problem, Ilka.« Seit wann duzte er meine Freunde?
    »Charly ist schon auf dem Weg. Ganz ruhig, schön einatmen, ja genau, das machst du sehr gut. Weiter so! Charly kommt, und sie kommt mit einem Geschenk: Wir sponsern das komplette erste Jahr die Windeln!«
    Ich riss ihm das Telefon aus der Hand, sagte nur kurz: »Halt durch, ich bin auf dem Weg!«, dann legte ich auf und ging ins Studio zurück, wo die arme Nachrichtenfrau inzwischen »Road to hell« spielte, was ich sehr passend fand.
    Sie war mehr als erleichtert, als ich die schwere Studiotür öffnete, allerdings nur für einen kurzen Moment, denn ich packte meine Sachen und verschwand sofort wieder. Draußen stand Grusel-Günther mit verschränkten Armen und Schmollmund, aber das änderte nichts.
    »Noch einmal kurz zum Mitschreiben: Ich bin jetzt weg, und es folgt mir auch kein Übertragungswagen. Okay?«
    Er verzog das Gesicht, was nicht zwingend als Zustimmung zu interpretieren war, dann ging ich.
    Der Taxifahrer, dem ich gesagt hatte, er solle auf dem schnellsten Weg zum Marienkrankenhaus fahren, sah kurz zu mir in den Rückspiegel und fragte: »Schlimm? Haben Sie Schmerzen?«
    »Ja, ganz fürchterliche«, stöhnte ich und hielt die Nase aus dem geöffneten Fenster. Ein Ansatz von frischer Brise.
    Acht Minuten später hielt er mit quietschenden Reifen an. Ich gab ihm, ohne zu fragen, was die Fahrt kostete, zwanzig Euro und sprang aus dem Wagen.
    Er kurbelte das Fenster runter und rief mir hinterher: »Fräulein, die Notaufnahme ist rechts!«
    »Danke, ich suche das Bistro«, rief ich zurück und lief in das Gebäude.
    Das Bistro fand ich zwar nach mehrfacher Nachfrage, nur keine Ilka. Ich sah mich um. Schilder mit Hinweisen gab es reichlich, nur keines, auf dem stand: Ihre Freundin ist gerade diesen Flur entlanggegangen, um genau zu sein, geschoben worden, und befindet sich jetzt im Kreißsaal. Einfach dem Gang folgen, mit dem Fahrstuhl in die dritte Etage und dann die erste Tür links. Kittel und Klopfen nicht vergessen. Danke.
    Im Stechschritt ging ich zur Infozentrale, die nicht besetzt war. Na prima. Und nun?
    Ich blieb einen Moment ratlos stehen, dann hörte ich ihn: Grusel-Günther höchstpersönlich. Blitzartig drehte ich mich um.
    Das Radio stand in einem Regal in der Infozentrale, an deren halbkreisförmigen Tresen ich mich gerade angelehnt hatte, um einen Moment Luft zu holen und nachzudenken. Das war jetzt natürlich nicht mehr möglich. Das Radio befand sich mindestens drei Meter vom Tresen entfernt, und leider hatte die Person, die nicht anwesend war, ordnungsgemäß die kleine Holztür verschlossen, sodass ich nicht reinkam.
    »Charly musste – wie schon berichtet – kurzfristig das 99,9-Studio verlassen und in den Kreißsaal. So etwas hat es noch nicht gegeben. Das ist eine Premiere. Das gibt es nur hier bei ›Aufwachen und lachen!‹. Wie es Charly geht, erfahren Sie natürlich bei uns. Sobald das Baby da ist, hören Sie es hier, bei 99,9. Und wenn Sie eine Idee haben, wie das Kind heißen soll, dann mailen Sie uns über 99,9-radio.de. Jetzt aber erst einmal Musik von Mariah Carey, und zwar der Titel, der gespielt wurde, als ihre Zwillinge geboren wurden. Vielleicht hilft das ja.

Weitere Kostenlose Bücher