Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
Vom Netzwerk:
doppelt so schwer waren wie er. Die drei sahen aus, als hätten sie einen Termin beim Fotografen.
    Ich versuchte, mich aufzusetzen, was nicht beim ersten Versuch klappte. Eine der beiden Schwergewichtigen beförderte mich sanft, aber bestimmt zurück in die Waagerechte, indem sie einfach meine Schulter runterdrückte.
    »Sie müssen sicher einiges, aber nicht in den Kreißsaal«, sagte eine der beiden.
    »Doch, ich muss. Wirklich. Glauben Sie mir.«
    Hilfe, mein Kopf.
    »Sie nehmen jetzt erst einmal diese Tabletten hier, und dann bleiben Sie schön artig liegen. Haben wir uns da verstanden?«
    Nein, haben wir nicht.
    »Hier ist ein Becher Wasser, ich bin gleich zurück.«
    Sie stellte einen weißen Plastikbecher und ein kleines durchsichtiges Minibecherchen mit verschiedenfarbigen Tabletten auf den Tisch neben meiner harten Liege, die vermutlich zum Restbestand des vorletzten Jahrhunderts gehörte. Dann nickte sie den anderen zu, und sie verließen alle drei den Raum. Vermutlich wollten sie sich beratschlagen.
    Nach ein paar Minuten kam eine der beiden Schwestern zurück. Die, die mich runtergedrückt hatte. Sie hielt einen DIN-A4-Block und einen Stift in den Händen.
    »So, Ilka, dann sagen Sie mir doch bitte noch mal Ihren ganzen Namen, die Anschrift und die Krankenkasse – falls Sie sich erinnern.«
    Das klang ja beinahe so, als würde sie mir nicht glauben.
    »Ich heiße Charly«, setzte ich gerade an, als sie mich unterbrach.
    »Sind Sie sicher? Sie haben doch gerade gesagt …«
    Jetzt unterbrach ich sie. »Ich bin mir ziemlich sicher, wie ich heiße. Ich heiße Charly Schönberg, und meine Freundin heißt Ilka. Ilka Krüger. Das können Sie sicher im Computer nachsehen, denn sie bekommt hier gerade ihr Kind. Ohne mich.«
    Eine große Hilfe wäre ich ja eh nicht gewesen, aber dass sie jetzt dachte, ich ließe sie im Stich, war nicht gut.
    Wie lange dauerte denn so eine Geburt überhaupt? Und seit wann lag ich hier?
    Ich sah mich um. Keine Uhr an der kahlen, sterilen Wand. Die Drückerin kniff ihre Augen zu schmalen Sc hlitzen zusammen, zog die Augenbrauen hoch und sah über den Rand ihrer Lesebrille hinweg, die sie kein Stück intelligenter aussehen ließ.
    »Okay, Charly Schönberg. Dann schauen wir doch einfach mal nach«, sagte sie und verließ wieder den Raum.
    Drei Minuten später öffnete sich die Tür wieder, und sie kam zurück. Allerdings nicht allein. Sie schob einen Rollstuhl.
    »So, Frau Schönberg. Dann hat sich ja doch noch alles aufgeklärt. Ihre Freundin erwartet Sie schon.« Zum ersten Mal sah ich ein Lächeln in ihrem Gesicht. »Allerdings muss ich Ihnen noch etwas sagen, damit Sie gleich nicht enttäuscht sind.« Sie machte eine traurige Miene. Oh Gott, was war los? »Die Geburt haben Sie verpasst. Das Baby ist schon da.«
    »Schon da?« Ich tat zu Tode betrübt und spürte, wie mir ein Fels vom Herzen fiel. Mindestens einer.
    Keine Nabelschnur, kein Händchenhalten und Mitpressen, keine kalten Lappen auf eine verschwitzte Stirn legen. Ich hätte jetzt nach Geschlecht, Gewicht oder Größe fragen können, weil man das vermutlich so machte, tat es aber nicht. Ich war nur froh, dass ich hier wegkam, dass Ilka noch lebte – so klang es zumindest – und dass ich mir weder etwas über ihren Muttermund noch ihren Geburtskanal anhören musste. Von alldem ganz zu schweigen, was meinen Augen erspart geblieben war. Da hatte wohl doch noch jemand Erbarmen mit mir gehabt.
    Ich setzte mich kurz hin, stellte fest, dass es besser funktionierte, als ich angenommen hatte, und wollte den Raum verlassen, was wiederum nicht funktionierte. Ich wurde in den Rollstuhl gedrückt. Für einen Protest war es zu spät. Willenlos schloss ich die Augen – mir wurde übel. Mein Fahrstil im Auto, wenn ich denn mal fuhr, war schon eine Anklage wert, aber dieser …
    Ich hielt meinen Kopf fest, in der Hoffnung, er würde nicht während der rasanten Fahrt durch die Gänge spätestens in der nächsten Kurve runterfallen und wegrollen.
    Der Rollstuhl hielt.
    »Da wären wir«, hörte ich es hinter mir, dann wurde wie von Geisterhand die grüne Tür geöffnet und ich hineingeschoben. Auf einem großen, bequemen Bett lag Ilka mit schweißnassem Haar und Tränen in den Augen.
    »Oh Gott, was ist denn passiert? Wie siehst du denn aus?«, fragte sie, und ich hätte die Frage gern zurückgegeben.
    »Alles gut.«
    Ich stand langsam auf und ging zu ihrem Bett. Sie schob die Decke etwas zur Seite und klopfte auf die Matratze.
    »Komm

Weitere Kostenlose Bücher