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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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meines Schoßes für sich in Anspruch zu nehmen.
    Micha erschien im Pyjama im Türrahmen.
    »Alles okay?«
    »Ja, alles okay«, murmelte ich.
    »Nichts ist okay!«, protestierte Ilka.
    »Er hat sich davongeschlichen und gehofft, ich wäre nicht zu Hause. Er wusste ganz genau, dass heute der Babymassagekurs ist!«
    »Und jetzt?«, fragte Micha, weil er vermutlich nicht wusste, was er sonst hätte sagen können, weniger weil er eine Antwort erwartete.
    Ilka zuckte mit den Schultern, setzte sich hin und schüttelte den Kopf.
    Micha sah mich mit der Kleinen im Arm, legte den Kopf schräg und lächelte mich an. Warum strahlte er so?
    »Kann ich auch mal?«
    Er setzte sich neben mich aufs Sofa, griff behutsam und irgendwie gekonnt – nicht wie ich – nach dem schnarchenden Wollknäuel und sah in diesem Moment, wie er dort saß in seinem weißen Pyjama, schon fast selig aus. Nur noch ein Heiligenschein hätte dieses Bild perfektionieren können.
    »Was soll ich denn Karlotta erzählen, wenn sie mich irgendwann fragt, wo ihr Erzeuger ist?«
    Mit dieser Frage riss Ilka mich aus meinen Gedanken. »Was? Sorry, was meintest du?«
    »Was ich ihr«, sie zeigte auf Karlotta, »sagen soll, wenn sie wissen will, wo ihr Vater ist? Der Zeitpunkt wird ja früher oder später kommen.« Ilka stemmte ihre Hände in die Hüfte. »Deine Mutter konnte ja wenigstens sagen, dass dein Vater tot ist, als du sie gefragt hast. Aber ich?«
    Ich sah sie entsetzt an.
    »War nicht so gemeint, aber ich hätte es gleich wissen müssen, dass er ein Idiot ist, auf den man sich nicht verlassen kann.«
    Jetzt war Schweigen Gold.
    Micha legte mir Karlotta wieder in den Arm, fragte, ob er uns etwas Gutes tun könne, und verzog sich dann lieber. Dies hier war ein klarer Fall von Frauengespräch. Das wusste er.
    »Es hätte mir klar sein müssen, in dem Moment, als ich ihm erzählte, dass eine Kundin von Lars, meinem Friseur, einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, weil sie sich erst einen Hundewelpen angeschafft und dann gemerkt hatte, dass sie schwanger war. Und kaum war das Kind da, war sie am Ende. Beides war einfach zu viel. Stell dir das mal vor. Sie ist jetzt in der Psychiatrie!«
    »Wieso hätte es dir da klar sein müssen?«
    »Weil Max, als ich ihm die Geschichte erzählte, am Ende nur fragte: ›Echt? Und was ist jetzt mit dem Hund?‹«
    Stunden später waren alle Taschentücher aufgebraucht. Mein Arm war inzwischen taub und eingeschlafen, und der Rest meines Körpers wollte es auch gern tun.
    Ilka sah es mir an. Sie packte ihre Sachen, zog sich ihre Jacke über, nahm mir Karlotta aus dem tauben Arm und sagte erhobenen Kopfes: »Dem werde ich es zeigen. Soll mal nicht denken, ich werde ihm hinterherweinen!«
    Mein Angebot zu bleiben und auf dem Sofa zu schlafen, lehnte sie dankend ab. Sie war Widder. Ein kleiner, zierlicher Widder, der nicht daran dachte aufzugeben, sich als Opfer zu sehen und sich irgendwo anders einzunisten – auch nicht bei der besten Freundin.
    Dann waren die beiden wieder weg.
    *
    Das Leben war ungerecht und gemein. Mag sein, dass ich mich deshalb so selten während der nächsten Wochen bei meinen Freundinnen meldete. Um ehrlich zu sein, fast den ganzen Juli über kein einziges Mal. Ich wollte sie vermutlich intuitiv nicht mit meinem Glück konfrontieren. Denn was Ilka in nächster Zeit nicht mehr haben würde, hatte ich jetzt zur Genüge: Pärchenabende.
    Herrlich. Fehlte eigentlich nur noch, dass wir demnächst abends mit Freunden zusammen Bridge oder Skat spielten und ich eine Tupper-Party veranstaltete.
    Oh Gott, was war aus mir geworden? Hatte ich mich nicht gerade noch lauthals beschwert, dass keiner mehr mit mir ausging?
    Der Höhepunkt meiner Woche war nun ein Abend in einem schicken Restaurant, mit Vor- und Nachspeise und manchmal sogar Nebenwirkungen. Die von unserem Essen würden mir nur allzu gut in Erinnerung bleiben.
    Ich hatte noch einen der letzten freien Tische im Hirschen , rechts in der Ecke, ergattert, sodass ich aus dem Fenster sehen konnte. Es war kurz vor acht. Die Tische draußen waren belegt, die Straßen voll, die Parkplätze belegt, die Menschen auf dem Weg von irgendwo nach irgendwo. Sie eilten am Hirschen vorbei. Manche blieben kurz an der Ecke des Gebäudes, an der sich der Eingang befand, stehen, sahen auf die Karte, unterhielten sich, kamen rein, erfuhren, dass alles besetzt war, und gingen wieder.
    Ich lehnte mich zurück und ertappte mich dabei, mich mit meiner neu erworbenen Spießigkeit

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