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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Wolf
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bis es steinhart war und ich es wegkratzen durfte.
    »Weißt du, wie viele Typen ich täglich in den Arm nehme?« Micha sah mich an. »Einfach nur, weil ich sie begrüße? Deswegen kannst du doch ab jetzt nicht jedes Mal schlechte Laune bekommen. Davon kriegt man böse Magengeschwüre, und dann liegst du nachher im Bett, und ich muss dich pflegen. Und das wird kein Spaß, das verspreche ich dir. Da gibt es nämlich nur Hühnersuppe aus der Tüte und sonntags mal einen Zwieback. Aber nur einen.«
    Micha versuchte sich im Dackelblick und schob die Unterlippe vor, als würde er schmollen. »Nur einen?«
    »Höchstens«, sagte ich übertrieben streng.
    Das Essen kam.
    »Guten Appetit!« Vincent stellte uns die Teller hin, fragte noch einmal, ob wir alles hätten, was wir bräuchten, und verschwand.
    Die Frau am Nebentisch drehte sich zu uns um, während sie versuchte, ihre Brust rauszukramen, um ihr Baby zu stillen. Zumindest vermutete ich das. Warum wühlte man sonst im eigenen Ausschnitt rum?
    Ich sah kurz zur Seite, wo sich eine Brust inzwischen den Weg an die frische Luft gebahnt hatte. Und was für eine! Himmel. Ich wäre wirklich jedem dankbar gewesen, der gekommen wäre und meinen Kopf von ihr weggedreht hätte, denn aus eigenem Antrieb heraus schaffte ich es nicht. Ich starrte auf ihre Brustwarze. Ich konnte nicht anders. Ich musste. Noch nie hatte ich eine so große Brustwarze gesehen. Ich hätte schwören können. Dabei hasste ich Menschen, die indiskret waren – so wie ich in diesem Moment.
    Diese Brustwarze erinnerte mich an irgendwas. Aber was? Ach, stimmt. Die braunen Espresso-Untertassen mei ner Mutter. Es fehlte nur der schmale, goldene Rand.
    Das Bild vor mir verschwamm … Ich musste daran denken, wie ich im letzten Sommer – wie so oft – im Mary Sol gesessen und einen Espresso getrunken hatte. Eigentlich keine Situation, an die man noch Monate später denken musste, wäre da nicht dieses Kind gewesen. Dieses Kind war ein Junge, dem man sein Geschlecht nicht auf den ersten Blick ansehen konnte. Die langen blonden Locken hätten auch einem Mädchen gehören können.
    Ich wollte gerade zahlen und schaute Richtung Tresen, um zu winken, da sah ich, wie er die Bluse seiner Mutter hochschob – ich gehe zumindest davon aus, dass sie das war –, die Brust in die Hand nahm und trank. Prost. Wie an einer Selbstbedienungsmilchbar. Er war mindestens vier Jahre alt. Die Mutter schaute nicht einmal hin, tat, als wäre nichts und unterhielt sich einfach weiter.
    Ich stellte mir vor, wie ein wildfremder Mensch im Vorbeigehen kurz bei ihr anhielt, ihr die Bluse hochschob und auch einen Schluck nahm. Ich hätte wetten können, sie hätte es nicht einmal gemerkt. Es war nur niemand da zum Wetten. Wie das wohl schmeckte? Ich konnte mich einfach nicht mehr daran erinnern.
    Fast hätte ich es jetzt doch noch erfahren, denn der Milchstrahl aus der Brust der Frau neben uns verfehlte meinen offen stehenden Mund nur um ein paar Zentimeter.
    Ich wich erschrocken zurück. »Oh sorry«, entschuldigte sich die Frau.
    »Nachher, wenn der Cappucino kommt, würde ich vielleicht noch mal auf das Angebot mit der Milch zurückkommen. Den machen sie hier nämlich grundsätzlich zu stark«, sagte ich lächelnd.
    Nach dem Salat, einer Suppe und einem Käsegang war wieder alles gut – am Nebentisch und auch an unserem eigenen.
    Ich stand auf und setzte mich neben Micha. Ein bisschen Eifersucht war doch gar nicht so übel, dachte ich und küsste ihn. Solange es bei einem bisschen blieb.
    Das Wetter war so gut, dass wir beschlossen, zumindest ein Stück zu Fuß nach Hause zu gehen. Auch wenn es ja eigentlich gar nicht meine Art war, mich zu bewegen. Den Rest erledigte dann schließlich doch die S-Bahn. Abe r bis dahin flanierte ich mit Micha an der Hand an der Alster entlang, als hätte ich eine neue Handtasche, die unbedingt der Öffentlichkeit gezeigt werden musste.
    Insgeheim hoffte ich, Ole zu treffen, oder Marc oder wenigstens Ulrich oder diesen bekloppten Cousin von Phillip – wen auch immer. Sollten sie doch alle sehen, was für einen tollen Kerl ich hatte!
    *
    Das Zusammenleben hinterließ allerdings auch Spuren, das war spätestens Anfang August klar, als ich meinen Kleiderschrank sortierte. Nach Dingen, die noch passten, und nach anderen Dingen, die es nicht mehr taten.
    Denn wir gingen nicht nur regelmäßig essen, Micha kochte auch gut und gerne. Doch das ganze gute Zeug wollte ja im Körper auch noch in Energie umgewandelt

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