Kein Kind ist auch (k)eine Lösung
werden. Leider. Und obwohl ich bisher dachte, mein Job würde mehr Energie verbrauchen, als mir lieb war, wurde ich eines Besseren belehrt: Man verbrauchte dabei keine einzige Kalorie! Zumindest dann nicht, wenn man vor einem Mikro stand und die Lippen und manchmal auch das Hirn bewegte und hin und wieder mit dem Zeigefinger der rechten Hand einen Regler hochschob oder einen Knopf drückte, um den nächsten Song abzuspielen.
Während Micha alle paar Tage für eine Stunde mit Laufschuhen, einem albernen Schweißband aus den 80er-Jahren – das im Grunde ein Trennungsgrund gewesen wäre, so wie er damit aussah – und einer viel zu großen Jogginghose verschwand, saß ich mit zunehmend schlechtem Gewissen auf dem Sofa und kraulte Waltraud, wovon ich nachweislich keinen Muskelkater bekam, sondern nur noch mehr Pölsterchen auf den Rippen.
So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich hatte ganz schön zugelegt. Der Abschied vom Singledasein besaß wirklich auch Nachteile, und gegen die wollte ich ankämpfen.
Da fiel mir ein, dass ich irgendwann mal aus einer meiner unzähligen Brigitte -Zeitschriften eine Kalorientabelle rausgetrennt hatte, die irgendwo in meinem Bücherregal sein musste.
Und tatsächlich. Nach ein paar Minuten fand ich sie. Meine eigene Ordnung faszinierte mich. Die Seiten mit den Angaben zu den einzelnen Lebensmitteln überflog ich nur, und schließlich landete ich dort, wo ich hinwollte: Was verbrennt man bei welcher Tätigkeit?
Nach weiteren drei Minuten war klar: Es ging nicht ohne Bewegung. Was mich allerdings echt erstaunte, war die Tatsache, dass man laut dieser Tabelle beim Abwaschen mehr Kalorien verbrannte als beim Sex. Vielleicht sollte ich einfach öfter mal den Geschirrspüler aus lassen und mit der Hand abwaschen.
Ich rief bei Hanne an, die sich mit allem auskannte, was eine gute Figur herbeizaubern sollte. Schließlich schaute sie regelmäßig »Wow!«, den Verkaufssender, bei dem man immer das Gefühl hatte, die Moderatoren bezahlten Unsummen dafür, dass man sie einmal vor die Kamera ließ. Hanne kannte alles, was angeblich mit minimalem Aufwand einen maximalen Effekt hervorrief. Einen Vorher-Nachher-Erfolg konnte ich bei ihr allerdings nie feststellen, was ich ihr natürlich nicht sagte. Und inzwischen war das ja auch egal.
»Flexi-Bar«, war ihre knappe Antwort. Im Hintergrund brummte irgendetwas.
»Ist dein Geschirrspüler kaputt?«
»Warum?«, fragte sie.
»Es klingt so.«
»Nein, das sind Walgesänge.«
Ich ersparte mir die Nachfrage, denn ich konnte mir die Antwort denken.
»Also, Flexi-Bar kann ich dir echt empfehlen.«
»Klingt wie ein Müsliriegel«, meinte ich und bekam schon wieder Hunger.
»Nein, das ist eine Stange, die vibriert. Echt der Hammer! Das musst du mal machen, davon wird man süchtig.«
»Hanne, ich meine es ernst mit dem Sport. Einen Vibrator kann ich mir auch alleine anschaffen.«
»Das ist kein Dildo! Das ist genau das Richtige für dich. Obwohl … nein, jetzt hab ich es. Das wäre wirklich gut für dich: Unterwasserfahrrad!«
Ich überlegte kurz, ob in ihre Badewanne ein Fahrrad hineinpasste.
»Das soll super für die Gelenke sein.«
Für die Gelenke? Hallo? War ich senil? Ich entschied mich für das Flexi-Bar-Ding.
Hanne versprach, es mir bei »Wow!« zu ordern, denn sie konnte dadurch Treuepunkte sammeln und sich dann endlich diese tolle neue Pfanne bestellen, bei der man kein Fett mehr brauchte und trotzdem nichts anbrannte.
Ein paar Tage später stand das Päckchen vor meiner Tür, beziehungsweise ein langes, eingewickeltes Etwas, samt DVD und Sportmatte. Da blieb es allerdings nicht stehen. Ich war großherzig und nahm es mit rein.
Bis Sonnabend sah ich es noch ein wenig argwöhnisch an, wie es so herumstand, in der Ecke unseres Schlafzimmers, dann packte ich es aus und machte mich daran, etwas für mich – oder für Micha? – zu tun.
»Einfach supertoll aussehen und sich supertoll fühlen«, stand auf dem Beipackzettel, der vor Risiken und Nebenwirkungen nicht warnte. Es wäre allerdings besser gewesen, wenn der Erfinder dieses Dings auch daran gedacht hätte – oder wenn eine Hausratversicherung gleich mit inbegriffen wäre.
Die »Schwing dich supertoll fit«-DVD lief keine drei Minuten, da lief bei mir schon der Schweiß. Himmel, diese Stange wollte alles Mögliche, aber verdammt noch mal nicht das, was ich wollte: wackeln. Meine Tiefenmuskulatur fühlte sich jedenfalls nicht angesprochen.
Während mich die blöde Kuh vom
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