Kein Kind ist auch (k)eine Lösung
Tagen? Bei Frauen dauert es doch auch neun Monate. Und Waltraud bekommt immerhin sechs Welpen, wenn wir da eben richtig gezählt haben. Das müsste dann doch eigentlich länger dauern …«
Ich musste mich setzen.
»Wasser?«, fragte der Arzt.
»Nein, Whisky wäre besser.«
»Zweiundsechzig bis dreiundsechzig Tage dauert eine Schwangerschaft vom Tag des Deckens bis zur Geburt. Ihre Hündin …«
»Waltraud. Sie heißt Waltraud.«
Ich fasste mir an die Stirn. Fieber. Ich hatte Fieber. Mit Sicherheit war es das. Ich hatte einen bösen Traum und würde gleich schweißnass aufwachen. Bestimmt.
»Also. Waltraud ist über den dreißigsten Tag hinaus, sonst hätten wir gar kein Ultraschallbild machen können. Das ist erst in diesem Stadium möglich.«
»Okay, und was heißt das jetzt? Dass ich meinen Jahresurlaub nehmen und nachts Fläschchen geben muss?«
Er lachte, während er Waltraud vom Untersuchungstisch hob. »Das denke ich nicht. Urlaub wäre gut, aber das muss nicht gleich der ganze Jahresurlaub sein. Kennen Sie denn niemanden, der in der nächsten Zeit mit Ihnen gemeinsam nach Waltraud schauen kann? Sie wird vermutlich schon bald träger und verschmuster werden.«
Kannte ich jemanden? Nein, kannte ich nicht. Obwohl. Doch! Meine Schwiegermutter. Ich musste sofort in Kiel anrufen.
Vermutlich war es sogar ihr Mops gewesen, der Waltraud in der Speisekammer vernascht hatte. Von wegen draußen – bei dem Wetter! Da hatte man beziehungsweise Hund doch gar keine Lust auf Sex. Oder? Vermutlich hatte die arme Huberta auch noch zuschauen müssen. So was! Nicht auszumalen, wie die Kleinen aussehen würden. Mutter Wollknäuel, Vater röchelnde Wurst auf vier Beinen. Aber wie war er da oben überhaupt rangekommen?
Wobei die Rechnung natürlich nicht aufging. Unser Besuch war schließlich mehr als zweiunddreißig Tage her. Das Familienfest war doch im Juni gewesen, lag also … ich zählte an den Fingern ab … fast schon vier Monate zurück. Sollte Hugo doch unschuldig sein?
Ich grübelte. Was war vor zweiunddreißig Tagen? Keine Ahnung. Obwohl, doch! Micha war zwischendurch einmal zu seinen Eltern gefahren, nur kurz, um seiner Mutter einen Entsafter zurückzubringen, den er sich mal geliehen hatte und für den es in unserer Küche keinen Platz gab. Da hatte er Waltraud doch mitgenommen und mit den Hunden einen kurzen Spaziergang am Strand gemacht.
Na, herzlichen Glückwunsch! Da hatte er wohl mal kurz nicht aufgepasst.
Kaum fiel die Praxistür hinter uns zu, rief ich Micha an.
»Du glaubst es nicht.«
Mist. Schlechter Empfang.
»Was hast du gesagt?«
»Du glaubst es nicht! Waltraud ist schwanger!«
»Du bist schwanger?«
»Nein. Nicht ich. W-A-L-T-R-A-U-D.«
»Hallo?« Micha klang, als würde er in eine Blechgießkanne sprechen.
»Warte mal, ich hab hier keinen Empfang. Ich muss mal eben rausgehen.«
Ich hörte noch: »Das ist ja großartig«, dann war er weg. Tüüüt.
Na prima.
Als ich vor dem Haus stand, drückte ich auf Wahlwiederholung, aber er ging nicht mehr ran. Ich versuchte es noch zweimal. Vergebens. Komisch. Ich wählte die Nummer seiner Assistentin.
»Hallo, hier ist Charly. Ist Michael zu sprechen?«
»Nein, tut mir leid, der hat gerade das Büro verlassen. Sah sehr eilig aus, obwohl im Kalender gar kein Termin steht.«
»Oh, danke. Ich glaube, ich weiß, wo er ist. Einen schönen Abend noch.«
»Danke, Ihnen auch.«
Auf dem Weg zu unserer Wohnung machte ich einen Fehler. Die Ampel an der Kreuzung Bernadottestraße hatte auf Rot umgeschaltet, als ich gerade über die Straße gehen wollte. Ich blieb abrupt stehen, was nicht smart war, wie sich herausstellte, denn eine junge Mutter – die ihren Zwerg auf dem Arm trug! – hatte nicht so schnell geschaltet wie die Ampel und fuhr mir ihre Karre in die Hacken.
Ich schrie kurz auf. Die Frau entschuldigte sich, fragte, ob es gehe.
Nein, es geht nicht, dachte ich.
Warum schiebt man eine leere Karre? Und dann auch noch mit dem Tempo? Wozu wurden die Dinger erfunden? Ich hielt mich am Laternenmast fest und griff an meine Fessel. Vielleicht sollte ich mir Bomberstiefel besorgen.
Ich humpelte total übertrieben weiter, nur um ihr ein schlechtes Gewissen zu machen.
Was für ein Tag.
Und kaum standen wir vor der Tür, ging das Abenteuer Alltag weiter. Waltraud legte schon beim Anblick der Treppe einen spontanen Streik ein. Sie sah es nicht ein, die Stufen bis zur Wohnung selbst hochzugehen. Als hätte sie gehört, was der Arzt gesagt
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