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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Gründe.«
    »Das ist einer. Halt’s Maul und mach hin!«
    Ich versenkte die Vier, und die weiße Kugel rollte langsam weiter und blieb netterweise genau vor der Zwei liegen.
    »Grund Nummer zwei ist«, fuhr Bubba fort und kreidete seinen Queue mit langen, quietschenden Strichen, »ich möchte gerne, daß du dir diese Leute ansiehst, die mir was abkaufen.«
    Ich schoß die Zwei ab, doch blieb der Spielball hinter einer von Bubbas Kugeln liegen.
    »Warum?«
    »Vertrau mir. Wird dich interessieren.«
    »Kannst du’s mir nicht einfach sagen?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher, daß sie es wirklich sind, die ich glaube. Du mußt schon mitkommen und selber gucken.«
    »Wann?«
    »Sobald ich hier gewonnen habe.«
    »Wie gefährlich ist es?« wollte ich wissen.
    »Nicht gefährlicher als sonst auch.«
    »Aha«, gab ich zurück, »also sehr gefährlich.«
    »Stell dich nicht so an. Los, mach weiter!«
    Germantown lag am Hafen, der Quincy von Weymouth trennte. Ihren Namen erhielt die Stadt Mitte des 17. Jahrhunderts, als eine Glasmanufaktur vertraglich verpflichtete Arbeiter aus Deutschland rekrutierte und einen Ort mit typisch deutschen breiten Straßen und großen Plätzen entwarf. Doch konnte sich die Fabrik nicht halten. Als den Verantwortlichen klar wurde, daß es billiger sein würde, die Verträge der deutschen Arbeiter aufzuheben als sie an einem anderen Ort neu anzusiedeln, überließ man sie einfach sich selbst.
    Es folgte ein Fehlschlag nach dem anderen. Das Pech schien die kleine Hafenstadt und die Nachfahren der ersten Arbeiter regelrecht heimzusuchen: Fabriken für Keramik, Schokolade, Strümpfe, Walölprodukte, medizinisches Salz und Salpeter wurden aus dem Boden gestampft und verfielen innerhalb von zweihundert Jahren wieder. Eine Zeitlang erfreute sich die Kabeljaufischerei und der Walfang einer gewissen Beliebtheit, doch auch diese Industrien zogen auf der Suche nach besseren Fängen und besseren Gewässern schließlich in den Norden nach Gloucester oder weiter in den Süden Richtung Cape Cod.
    Germantown wurde zu einem vergessenen Landstrich. Die Bewohner waren durch einen Maschendrahtzaun vom Küstenstreifen abgetrennt, der von den Abwässern der Schiffswerft von Quincy, eines Elektrizitätswerks, Öltanks und der Fabrik von Procter & Gamble verschmutzt wurde, die das Stadtbild von Germantown ausmachten. Das experimentelle Bauvorhaben, staatliche Häuser für Kriegsveteranen zu errichten, verschandelte den Küstenstreifen mit einer bimssteingrauen Sozialbausiedlung. Jeder Häuserblock bestand aus vier Gebäuden mit jeweils sechzehn Wohnungen, die hufeisenförmig um eine Sackgasse gruppiert waren. In der Mitte steckten verrostete Stangen im aufgeplatzten Teer, an denen sich Wäscheleinen wie Skelette aus Metall über die Höfe spannten.
    Das Haus, vor dem Bubba seinen riesengroßen Geländewagen parkte, befand sich nicht direkt am Hafen, sondern eine Straße weiter. Die Gebäude zu beiden Seiten des Hauses sahen aus, als würden sie bald wieder zu Staub verfallen. In der Dunkelheit wirkte auch das Haus selbst ein wenig eingesunken, und obwohl ich nichts Genaues erkennen konnte, spürte ich doch die hier herrschende Atmosphäre des Verfalls.
    Der alte Mann, der die Tür öffnete, trug einen dichten schwarzen Backenbart, der jedoch nicht über die Kerbe in seinem langen Kinn wuchs, so daß dort eine Spalte runzliger rosa Haut prangte. Er mußte so zwischen fünfzig und sechzig sein, aber seine mürrische, gekrümmte Haltung machte die kleine Gestalt noch älter. Er trug eine ausgewaschene Baseballmütze der Red Sox, die selbst für seinen kleinen Kopf zu klein war, dazu ein gelbes kurzes T-Shirt, das den Blick auf seinen milchigweißen, faltigen Bauch freigab, und eine schwarze Nylonstrumpfhose ohne Füße, die im Schritt so eng saß, daß man denken konnte, er halte eine geballte Faust dahinter.
    Der Mann zog sich die Baseballmütze tiefer in die Stirn und fragte Bubba: »Bist du Jerome Miller?«
    Jerome Miller war Bubbas Lieblingspseudonym. Es war der Name von Bo Hopkins in Killer-Elite, und den Film hatte Bubba schon ungefähr tausendmal gesehen. Er konnte ihn auf Zuruf rezitieren.
    »Was denkst du denn?« Bubbas riesiger Körper ragte vor dem schmächtigen Mann auf und verdeckte ihn vor mir.
    »Ich frag’ ja nur«, gab er zurück.
    »Ich bin der Osterhase und steh bei dir in der Tür, weil ich die ganze Sporttasche da voller Waffen habe.« Bubba beugte sich drohend vor. »Jetzt laß uns rein, verdammt

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