Kein Kinderspiel
treiben, als Morrissey und The Smiths länger als dreißig Sekunden zuzuhören, die in ihrer Wohlstandsangst herumjammern, daß sie nur Menschen seien und geliebt werden wollten. Vielleicht bin ich zynisch, aber wenn man geliebt werden will, sollte man aufhören, das allen die ganze Zeit vorzuheulen. Eventuell findet man dann jemanden zum Flachlegen, und das war’ doch ein vielversprechender erster Schritt.
Bubba blickte sich zum Tresen um und schrie: »Welcher Schwachkopf hat diese Scheiße angemacht?«
»Bubba!« mahnte ich ihn.
Er hob einen Finger. »Wart mal kurz.« Wieder wandte er sich dem Rest des Raumes zu. »Wer hat dieses Lied angemacht, hä?«
»Bubba«, sagte der Wirt, »beruhige dich doch.«
»Ich möchte einfach nur wissen, wer dieses Lied angestellt hat.«
Gigi Varon, eine verschrumpelte dreißigjährige Alkoholikerin, die wie fünfundvierzig aussah, saß in der hintersten Ecke der Kneipe und hob ihr schmales Händchen. »Ich wußte es nicht, Mr. Rogowski. Es tut mir leid. Ich zieh’ den Stecker raus.«
»Ach, Gigi!« Bubba winkte großzügig ab. »Hallo! Nein, ist schon gut.«
“Doch, mach ich, wirklich.«
»Nein, schon gut.« Bubba schüttelte den Kopf. »Paulie, gib Gigi zwei auf meine Rechnung.«
»Danke, Mr. Rogowski.«
»Schon gut. Aber Morrissey ist Scheiße, Gigi. Echt. Frag Patrick. Frag jeden hier.«
»Ja, Morrissey ist Scheiße«, stimmte einer der alten Männer zu, und einige seiner Kumpanen bestätigten es.
»Als nächstes wähle ich die Amazing Royal Crowns«, kündigte Gigi an.
Ich hatte Bubba vor ein paar Monaten von den Amazing Royal Crowns überzeugt, jetzt war es seine Lieblingsband.
Bubba streckte die Arme aus. »Paulie, gib ihr drei auf mich.«
Wir waren im Live Bootleg, einer winzigen Kneipe an der Grenze zwischen Southie und Dorchester, die kein Schild im Fenster hatte. Von draußen war der Backstein schwarz gestrichen, und der einzige Hinweis auf den Namen des Ortes war in roter Schrift auf die untere rechte Ecke der Wand gemalt, die auf die Dorchester Avenue wies. Vorgeblich gehörte sie Carla Dooley, genannt »Lovely Carlotta«, und ihrem Mann Shakes, doch in Wirklichkeit war das Live Bootleg Bubbas Kneipe, und ich hatte noch nie erlebt, daß ein Stuhl in der Kneipe leer war und der Alkohol nicht in Strömen floß. Außerdem war das Publikum gut; in den drei Jahren, seit Bubba den Laden eröffnet hatte, hatte es keine einzige Schlägerei oder eine Schlange vor der Toilette gegeben, weil irgendein Junkie das Klo zu lange in Beschlag nahm. Natürlich wußte jeder Gast, wer der wirkliche Besitzer war und was der davon halten würde, wenn man der Polizei Anlaß gab, die Kneipe einmal näher zu durchsuchen. Und deshalb war das Live Bootleg trotz seiner düsteren Einrichtung und des zweifelhaften Rufs ungefähr so gefährlich wie das wöchentliche Bingospiel in St. Barts am Mittwoch abend. Und hier war die Musik besser, meistens jedenfalls.
»Verstehe trotzdem nicht, warum du Gigi deshalb einen kleinen Herzinfarkt einjagen mußt«, sagte ich. »Die Musikbox gehört doch dir. Du hast die Smiths-CD eingelegt.«
»Ich hab’ da keine beschissene Smiths-CD reingelegt«, gab Bubba zurück. »Das ist einer von diesen Samplern, Best of the Eighties oder so. Das Lied von The Smiths hab’ ich in Kauf genommen, weil Come on, Eileen und noch ‘ne ganze Menge andere gute Sachen drauf sind.«
»Was denn? Katrina and the Waves?« fragte ich zurück. »Bananarama? So richtig coole Bands?«
»Hey«, sagte er, »Nena ist mit drauf, also halt die Klappe.«
»Ninety-nine red balloons«, ergänzte ich. »Okay, dann ist es in Ordnung.« Ich beugte mich über den Tisch und versenkte die Sieben. »Also, was war das eben, daß ich dich bei einem Geschäft begleiten soll?«
»Ich brauche Unterstützung. Nelson ist nicht in der Stadt, und die Twoomeys sitzen ihre zwei bis sechs Jahre ab.«
»Für einen Hunderter würden dir eine Menge Leute helfen.« Ich versenkte die Sechs, doch streifte sie Bubbas Zehn. Ich trat einen Schritt zurück.
»Ich hab’ zwei Gründe.« Nun beugte er sich vor und ließ den Spielball von der Neun abprallen. Er sah zu, wie die Kugel quer über den Tisch rollte. Als sie in die Seitentasche fiel, schloß er die Augen. Für jemand, der so oft Billard spielt, ist Bubba echt eine Niete.
Ich legte die weiße Kugel wieder auf den Tisch und zielte auf die Vier. »Grund Nummer eins?«
»Ich vertraue dir, und du bist mir was schuldig.«
»Das sind zwei
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