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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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noch mal!«
    Der Alte trat zur Seite, und wir gingen in ein dunkles Wohnzimmer, in dem es nach Zigaretten roch. Der Alte beugte sich zum Couchtisch hinunter und nahm eine brennende Zigarette aus einem überfüllten Aschenbecher, saugte mit feuchten Lippen an dem Stummel und starrte uns durch den Rauch an. Seine blassen Augen glühten in der Dunkelheit.
    »Los, dann zeigt mal her«, sagte er.
    »Mach mal das Licht an!« forderte Bubba.
    »Kein Licht hier«, gab der Alte zurück.
    Bubba schenkte ihm ein breites, kaltes Lächeln. »Dann bring mich in ein Zimmer, wo es Licht gibt.«
    Der Mann zuckte die knochigen Schultern. »Sucht euch eins aus!«
    Als wir ihm durch den schmalen Flur folgten, fiel mir auf, daß der Verschluß der Baseballmütze an seinem Hinterkopf offen stand. Die Enden klafften zu weit auseinander, als daß man sie hätte schließen können, und sowieso saß die Kappe nicht richtig, sie stand zu weit vom Kopf ab. Ich dachte krampfhaft darüber nach, an wen mich der Kerl erinnnerte. Da ich nicht viele alte Typen kannte, die kurze TShirts und Strumpfhosen trugen, mußte die Liste der Verdächtigen eigentlich ziemlich kurz sein. Aber irgendwas an dem Kerl kam mir bekannt vor, und ich hatte das Gefühl, entweder der Bart oder die Baseballkappe führten mich in die Irre.
    Im Flur roch es nach schmutzigem, abgestandenem Badewasser. Die Wände stanken nach Schimmel. Vier Türen gingen vom Flur ab, der direkt zur Hintertür führte. Plötzlich hörten wir über uns in der ersten Etage ein dumpfes Geräusch. Bässe ließen die Decke vibrieren, die Boxen mußten voll aufgedreht sein, obwohl die Musik selbst so leise war, eigentlich nur ein blechernes Flüstern, daß sie vom nächsten Häuserblock hätte kommen können. Gute Schallisolierung, dachte ich. Vielleicht spielte da oben eine Band, alte Männer in Strumpfhosen und TShirts, die ihre morschen Knochen zu den Songs von Muddy Waters wiegten.
    Wir näherten uns den ersten zwei Türen auf der Hälfte des Flures, und ich warf einen kurzen Blick in das Zimmer zu meiner Linken, sah aber nichts weiter als die Umrisse eines Lehnstuhls und einen Stapel Bücher oder Zeitschriften. Aus diesem Raum kam der Geruch von abgestandenem Zigarrenrauch. Die Tür rechts führte in eine Küche, die so hell erleuchtet war, daß das Licht aus industriellen Neonröhren kommen mußte. So etwas fand man normalerweise nur in Lagerhallen, aber nicht in Privathäusern. Anstatt den Raum zu beleuchten, vertilgte das Licht ihn. Ich mußte mehrmals die Augen zusammenkneifen, bis ich wieder sehen konnte.
    Der Mann nahm etwas von der Küchentheke und warf es mir zu. Mit nur halb geöffneten Augen sah ich den Gegenstand von tief rechts auf mich zufliegen und fing ihn auf. Es war eine kleine Papiertüte, und es gelang mir gerade noch, sie am Tütenboden festzuhalten. Geldbündel drohten auf den Boden zu fallen. Schnell drehte ich die Tüte um und schob die Scheine wieder hinein. Dann reichte ich sie an Bubba weiter.
    »Gute Reaktion«, sagte der Mann. Er grinste Bubba mit seinen tabakgelben Zähnen an. »Und jetzt die Sporttasche, Sir.«
    Bubba warf dem Alten die Tasche gegen die Brust. Sie war so schwer, daß er auf den Hosenboden fiel. Ausgestreckt lag er auf den schwarzweißen Fliesen. Mit den Händen versuchte er sich abzustützen.
    »Schlechte Reaktion«, bemerkte Bubba. »Wie wär’s, wenn ich die Tasche einfach auf den Tisch stelle?«
    Der Mann sah zu ihm auf und nickte. Das helle Licht ließ ihn blinzeln.
    Es war seine Nase, die mir so bekannt vorkam, dachte ich, diese gekrümmte Adlernase. Sie stak aus dem ansonsten vollkommen flachen Gesicht des Mannes heraus wie ein Felsvorsprung und war so stark gebogen, daß die Spitze einen Schatten auf die Oberlippe warf.
    Er stand wieder auf und schlug sich den Staub vom Gesäß. Als er am Tisch stand und Bubba beim Öffnen der Tasche zusah, rieb er sich die Hände. In seinen Augen brannten zwei kleine orange Flammen wie die Rücklichter eines Autos im Dunkeln. Auf seiner Oberlippe standen Schweißtropfen.
    »Da sind ja meine Babys«, sagte er, während Bubba die Tasche aufschlug und den Blick auf vier Maschinenpistolen vom Typ Calico M-l10 freigab, deren schwarze Aluminiumlegierung wie Öl glänzte. Die Calico M-l10 ist eine der seltsamsten Waffen, die ich je gesehen habe: eine Pistole, die mit einem Magazin geladen wird. Es enthält hundert Schuß, die mit einer Schraubenfeder in die Kammer gedrückt werden. Das gleiche System verwendet der

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