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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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die Augen. »Aber eigentlich ist das eher Glück als Talent, das Ducken. Meinst du nicht?« Er drehte sich um, so daß er Oscar und Devin den Rücken zuwandte. Ohne mich aus den Augen zu lassen, trank er das Glas leer. »Aber das Schlechte am Glück ist, daß es irgendwann damit vorbei ist.«
    Devin und Oscar drehten sich auf den Barhockern um und sahen ihm nach, als er an den anderen Gästen vorbei in den hinteren Teil der Kneipe ging.
    Oscar zog eine halb gerauchte Zigarre aus der Hemdtasche und zündete sie an. Ausdruckslos beobachtete er Pasquale. Dann zog er an der Zigarre, und der schwarze, rissige Tabak knisterte.
    »Sehr subtil«, bemerkte er und warf das Streichholz in den Aschenbecher.
    »Was ist hier eigentlich los, Patrick?« fragte Devin mit monotoner Stimme, den Blick auf das leere Whiskeyglas gerichtet, das Pasquale stehengelassen hatte.
    »Weiß ich auch nicht genau«, erwiderte ich.
    »Du hast einen Feind bei den Cowboys«, sagte Oscar. »Kein kluger Schachzug.«
    »War keine Absicht«, gab ich zurück.
    »Hast du einen Verdacht gegen Broussard?« fragte Devin.
    »Vielleicht«, antwortete ich. »Ja.«
    Devin nickte, dann faßte er mich mit der Hand am Ellenbogen. »Egal, was du denkst«, sagte er und lächelte freundlich zu Broussard hinüber, »hör auf damit.«
     
    »Und wenn ich das nicht kann?«
    Oscars Kopf tauchte hinter Devins Schulter auf. Er sah mich mit seinem leeren Blick an. »Laß es sein, Patrick.«
    »Und wenn ich nicht kann?« wiederholte ich.
    Devin seufzte. »Dann kannst du vielleicht bald überhaupt nichts mehr.«

30
    In der blinden Hoffnung, noch etwas ausrichten zu können, beschlossen wir, Poole im Krankenhaus zu besuchen.
    Das New England Medical Center erstreckt sich über zwei Häuserblöcke. Die Gebäude und gläsernen Verbindungsgänge befinden sich in der Mitte von Chinatown, dem Theaterviertel und den schwer mitgenommenen Überresten der alten Combat Zone, dem ehemaligen Rotlichtviertel.
    Schon am frühen Sonntag morgen ist es schwer, einen freien Parkplatz in der Nähe des New England Med zu finden; donnerstags abends ist es schlichtweg unmöglich. Im Schubert wurde die zigste Wiederaufführung von Miss Saigon gespielt, das Wang Center zeigte das neueste bombastische Musical von Andrew Lloyd Webber oder irgendeine andere ausverkaufte, aufwendig inszenierte musikalische Schonkost, so daß der untere Teil der Tremont Street von Taxis und Limousinen, Busineß-Anzügen und Pelzmänteln nur so wimmelte. Genervte Polizisten bliesen in ihre Pfeifen und leiteten den Verkehr in einem weiten Bogen um den Menschenauflauf und die bis in dritter Reihe parkenden Wagen.
    Wir machten uns nicht einmal die Mühe, eine Runde um den Häuserblock zu drehen, sondern fuhren gleich in das Parkhaus des Krankenhauses, zogen ein Ticket und fanden erst im sechsten Stockwerk eine Lücke. Ich stieg aus und hielt Angie die Tür auf. Sie hievte sich auf die Krücken, ich warf die Tür hinter ihr zu und folgte ihr zwischen den Wagen hindurch.
    »Wo ist denn der Fahrstuhl?« rief sie mir über die Schulter zu.
    Ein junger Mann, so groß und drahtig wie ein Basketballspieler, antwortete: »Da entlang!« und wies nach links. Er stand gegen die Hecktür eines schwarzen Chevy Suburban gelehnt und rauchte eine schlanke Zigarre, die noch die rote Banderole mit der Aufschrift »Cohiba« trug.
    »Danke«, sagte Angie, und wir warfen ihm im Vorbeigehen ein höfliches Lächeln zu.
    Er grinste zurück und nahm die Zigarre aus dem Mund. »Er ist tot.«
    Wir hielten inne. Ich drehte mich um und sah mir den Typ genauer an. Er trug eine marineblaue Fleecejacke mit einem braunen Lederkragen, darunter ein schwarzes Shirt mit V-Ausschnitt und eine schwarze Jeans. Seine schwarzen Cowboystiefel waren so ausgetreten wie die eines Rodeoreiters. Er streifte die Asche von der Zigarre ab, schob sie sich wieder zwischen die Lippen und sah mich an.
    »Jetzt kommt die Stelle, wo Sie sagen müssen: >Wer ist tot?<«
    »Wer ist tot?« fragte ich.
    »Nick Raftopoulos«, antwortete er.
    Nun drehte sich Angie auf den Krücken zu ihm um. »Wie bitte?«
    »Den wollten Sie doch besuchen, oder?« Er breitete die Arme aus und zuckte mit den Schultern. »Tja, das geht jetzt aber nicht mehr, weil er nämlich vor einer Stunde gestorben ist. Herzstillstand infolge eines massiven Traumas, ausgelöst durch Schuß Verletzungen, die er sich auf der vorderen Veranda von Leon Trett zugezogen hat. Vollkommen normal unter diesen Umständen.«
    Angie

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