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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Gaststätte zumindest vom Highway aussieht, als sei sie den trüben Tagträumen Edward Hoppers entsprungen.
    Ich weiß allerdings nicht, ob Hopper sechstausend Dollar für einen Hamburger gezahlt hätte. So viel verlangt das Blue Diner natürlich auch nicht, aber es ist schon eins von den besseren. Für das Geld, was ich hier für eine Tasse Kaffee zahlte, bekam man woanders schon ein Auto.
    Nachdem uns Neal Ryerson versichert hatte, das Justizministerium übernehme die Rechnung, schlugen wir uns mit einem Kaffee und ein paar Cokes den Magen voll. Ich wollte zuerst einen Hamburger bestellen, doch dann fiel mir wieder ein, daß das Ministerium von meinen Steuergeldern bezahlt wurde, und schon wirkte Ryersons Großzügigkeit nur noch halb so eindrucksvoll.
    »Fangen wir vorne an!« schlug er vor.
    »Auf jeden Fall«, stimmte Angie zu.
    Er goß sich Sahne in den Kaffee und reichte sie an mich weiter. »Wie fing alles an?«
    »Mit der verschwundenen Amanda McCready«, antwortete ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Das war nur der Zeitpunkt, als ihr dazugestoßen seid.« Er rührte seinen Kaffee um, nahm den Löffel heraus und zeigte damit auf uns. »Vor drei Jahren erwischte ein Beamter des Rauschgiftdezernats namens Remy Broussard die Herren Cheese Olamon, Chris Mullen und Pharaoh Gutierrez, als er ein Hinterhoflabor in South Boston hochgehen ließ.«
    »Ich dachte, die bekommen das Rauschgift aus Asien«, bemerkte Angie.
    »Labor ist auch ein bißchen zu hochtrabend. Eigentlich zerstampften sie den Scheiß - Kokain war das damals - und verschnitten es mit Milchpulver. Broussard, sein Kollege Poole und noch ein paar Cowboys vom Rauschgift überraschten Olamon, meinen Zögling Gutierrez und noch ein paar andere Kerle. Bloß nahmen sie sie nicht fest.«
    »Warum nicht?«
    Ryerson zog eine neue Zigarre aus der Tasche, runzelte dann die Stirn, als er das Schild »BITTE KEINE ZIGARREN ODER PFEIFEN. DANKE« las. Er stöhnte, legte die Zigarre auf den Tisch und fummelte an der Zellophanfolie herum.
    »Sie haben sie nicht verhaftet, weil es keinen Grund dazu gab, nachdem sie den Beweis verbrannt hatten.«
    »Sie haben das Koks verbrannt«, sagte ich.
    Er nickte. »So wie Pharaoh erzählt hat, ja. Schon seit Jahren waren Gerüchte im Umlauf, daß es beim Rauschgiftdezernat eine erbarmungslose Einheit gab, die den Auftrag hatte, Dealer da zu treffen, wo es ihnen am meisten weh tat. Also keine Razzien, die den Dealern auf der Straße nur noch einen besseren Ruf bescherten, sie in die Zeitung brachten und ihre Haftstrafen in die Höhe trieben. Nein. Diese Einheit hatte angeblich den Auftrag, zu vernichten, was sie vorfand. Und die Dealer dabei zusehen zu lassen. In erster Linie herrschte ja Drogenkrieg, wenn ihr euch noch erinnert. Und ein paar findige Bostoner Bullen hatten beschlossen, ihn wie Guerillakämpfer zu führen. Diese Bullen, erzählte man sich, waren wirklich unantastbar. Sie waren unbestechlich. Sie waren über jeden Zweifel erhaben. Wahre Fanatiker. Eine Menge kleinerer Dealer konnte ausgeblutet werden, ein paar Neulinge wurden direkt wieder aus der Stadt vertrieben. Aber die größeren Dealer wie Cheese Olamon, die Typen von der Winter-Hill-Gang, die Italiener und Chinesen sahen in diesen Razzien bald den Preis, den man in ihrem Geschäft halt zahlen mußte, und da sich die ganze Drogenszene schließlich abwärts entwickelte und die Razzien auch nicht viel effektiver waren als die anderen Strategien, wurde diese Einheit schließlich aufgelöst.« »Und Broussard und Poole wurde zur EGK versetzt.« Er nickte. »Mit noch ein paar Kollegen. Andere blieben beim Rauschgift oder wurden zu Sitte oder Haftbefehle versetzt, alles mögliche. Aber Cheese Olamon hat die Sache von damals nie vergessen. Und er hat den Bullen nie vergeben. Er schwor, daß er sich Broussard eines Tages kaufen würde.« »Warum Broussard und nicht die anderen Bullen?« »Pharaoh hat gesagt, Cheese fühlte sich von Broussard persönlich beleidigt. Nicht, weil er die Ware vor seinen Augen verbrannte, sondern weil Broussard sich dabei vor Cheese’ Leuten über ihn lustig machte. Das hat sich Cheese zu Herzen genommen.«
    Angie zündete sich eine Zigarette an und hielt Ryerson die Packung hin.
    Er warf einen Blick auf die Zigarre, dann auf das Schild, das ihm das Rauchen verbot, und sagte schließlich: »Na gut, warum nicht?«
    Er rauchte die Zigarette wie eine Zigarre; er inhalierte nicht, sondern paffte nur und ließ den Rauch kurz durch den Mund

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