Kein Kinderspiel

rollen, bevor er ausatmete.
    »Letztes Jahr im Herbst wurde ich von Pharaoh kontaktiert. Wir trafen uns, und er erzählte mir, daß Cheese dem Bullen etwas heimzahlen wolle, das schon ein paar Jahre zurückläge. Er hat mir glaubhaft versichert, daß Cheese >Rache ist süß< spielen will und daß Mullen ihm gesteckt hätte, es würde ein großer Tag für alle werden, die damals in diesem Lagerhaus dabei waren und sich demütigen lassen mußten, als Broussard mit seinen Jungs das Koks verbrannte und ihnen dabei ins Gesicht lachte. Abgesehen davon, hab’ ich mich ein bißchen gewundert, warum Mullen und Pharaoh plötzlich so dicke sind, daß Mullen ihm was anvertraut. Pharaoh erzählte irgendwas, er wolle das Vergangene ruhen lassen, aber das kaufte ich ihm nicht ab. Meiner Meinung nach gibt es nur einen Grund, aus dem sich Pharaoh und Chris Mullen verbünden würden: aus Geldgier.«
    »Also war eine Palastrevolte im Anzug«, sagte ich.
    Er nickte. »Aber leider bekam Cheese Wind davon. Pech für Pharaoh.«
    »Was hatte Cheese denn nun gegen Broussard in der Hand?« fragte Angie.
    »Das hat mir Pharaoh nie erzählt. Er behauptete, Mullen wollte es nicht verraten. Meinte, dann wäre es keine Überraschung mehr. Am Nachmittag vor seinem Tod hab’ ich das letzte Mal von Pharaoh gehört. Er erzählte mir, er und Mullen hätten tagelang Bullen durch die ganze Stadt hinter sich hergezogen, und am Abend wollten sie die zweihundert Riesen absahnen, Broussard vor allen bloßstellen und nach Hause gehen. Sobald die Sache durchgezogen war, wollte er Mullen und Broussard an mich verpfeifen - Pharaoh würde nicht lange brauchen, um herauszubekommen, was Broussard getan hatte. So würde er mir den größten Schub in meiner Karriere verschaffen, und ich würde ihn für alle Zeiten in Ruhe lassen. Dachte er wenigstens.« Ryerson drückte die Zigarette aus. »Der Rest ist bekannt.«
    Angie runzelte verwirrt die Stirn. »Gar nichts ist bekannt. Scheiße! Agent Ryerson, haben Sie sich irgendeine Theorie zurechtgelegt, was Amanda McCreadys Verschwinden mit der ganzen Sache zu tun haben soll?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht hat Broussard sie sogar selbst entführt.«
    »Warum?« fragte ich. »Ist er einfach eines Tages aufgewacht und hat sich vorgenommen, ein Kind zu entführen?«
    »Hab’ schon seltsamere Dinge gehört.« Er beugte sich vor. »Hier, Cheese hatte etwas gegen ihn in der Hand. Was soll das schon sein? Alle Spuren führen uns immer wieder zu dem kleinen Mädchen zurück. Sehen wir uns das mal genauer an: Broussard entführt sie, vielleicht um dadurch die Mutter zu zwingen, die zweihundert Riesen herauszurücken, die sie Cheese abgeknöpft hat, wie Pharaoh mir erzählt hat.«
    »Moment mal«, mischte ich mich ein. »Das habe ich sowieso nie verstanden: Warum hat Cheese denn Mullen nicht schon Monate, bevor Amanda verschwand, losgeschickt, um aus Helene und Ray Likanski herauszuprügeln, wo das gestohlene Geld war?«
    »Weil Cheese die Abzocke selbst erst bemerkt hat, als Amanda verschwand.«
    »Was?«
    Er nickte. »Der Clou von Likanskis Plan war, wenn auch etwas kurzsichtig, das gebe ich zu, daß alle davon ausgehen würden, daß das Geld zusammen mit den Bikern und den Drogen beschlagnahmt worden war. Cheese hat drei Monate gebraucht, um die Wahrheit herauszufinden. Und das war am selben Tag, als Amanda McCready verschwand.«
    »Das würde doch bedeuten, daß Mullen der Entführer war«, meinte Angie.
    Er schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ich glaube eher, daß Mullen oder ein anderer von Cheese’ Leuten an dem Abend zu Helene ging, um sie so lange fertigzumachen, bis sie sagte, wo das Geld ist. Statt dessen sah er Broussard, der das Kind entführte. Da hatte Cheese etwas gegen Broussard in der Hand. Er erpreßte ihn damit. Aber dann spielte Broussard beide Seiten gegeneinander aus. Er erzählt seinen Kollegen, daß Cheese das Kind gekidnappt hätte und Lösegeld verlangte. Cheese aber erzählt er, daß er das Geld zu den Steinbrüchen bringen und dort Mullen geben würde. Aber in Wirklichkeit wollte er sie in die Wüste schicken, das Mädchen kaltmachen und sich mit der Knete aus dem Staub machen. Er…«
    »Das ist doch Blödsinn«, widersprach ich.
    »Warum?«
    »Warum sollte Cheese damit einverstanden sein, daß er für den Entführer von Amanda McCready gehalten wird?«
    »Er war ja nicht einverstanden. Broussard hat ihm ja gar nichts davon erzählt.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Broussard hat