Kein Kinderspiel
Ballon. Auch sonst geschehen damit noch einige sehr appetitliche Dinge.
Der Eingangsbereich war nicht breiter als mein Auto. Mit einer Kruste aus getrocknetem Salz überzogene Winterstiefel klebten auf einer Zeitung vom Februar. Daneben standen ein Spaten mit rissigem Holzgriff, ein verrosteter Grill und eine Tüte mit leeren Bierdosen. Der dünne grüne Teppich war an mehreren Stellen zerrissen, die Katzen hatten ihre blutigen Pfotenabdrücke darauf hinterlassen.
Als nächstes gingen wir ins Wohnzimmer. Zu dem Licht, das durch die Fenster fiel, gesellte sich das silberne Flimmern eines Fernsehers, dessen Lautstärke heruntergestellt war. Im gesamten Haus war es dunkel, nur durch die Seitenfenster fiel graues Licht und erfüllte die Zimmer mit einem zinnfarbenen Ton, der die verwahrloste Umgebung nicht gerade angenehmer erscheinen ließ. Die Teppichstücke auf dem Boden paßten kein bißchen zueinander, sondern waren scheinbar mit dem Schönheitsempfinden eines Drogenabhängigen kombiniert worden. An mehreren Stellen, wo die einzelnen Teile zugeschnitten und nebeneinandergelegt worden waren, zogen sich kleine Flusen die Nähte entlang. Die Wände waren mit hellem Sperrholz verkleidet, die weiße Farbe löste sich von der Decke. Eine zerschlissene Futoncouch stand vor der Wand. Als wir in der Mitte des Zimmers standen und uns an das graue Licht gewöhnten, sah ich auf dem zerrissenen Stoff mehrere Augenpaare funkeln.
Dann kam vom Sofa ein elektrisches Summen, so als surrten Zikaden um einen Generator, und die Augenpaare bewegten sich in Zickzacklinie.
Dann griffen sie an.
Jedenfalls dachte ich das im ersten Moment. Auf ein hohes Miauen aus einem Dutzend Kehlen folgte der wilde Exodus der Katzen - Siamkatzen, weiße, getigerte Katzen und eine Havanna-Katze sprangen von der Couch über den Tisch, rasten über den geflickten Fußboden, schossen zwischen unseren Beinen hindurch und flitzten zur Tür.
»Heilige Mutter Gottes!« rief Poole und hüpfte auf einem Bein.
Ich drückte mich gegen die dünne Wand, Angie stand neben mir, und über meinen Fuß hüpfte ein dickes Stück Fleisch im Fell.
Broussard sprang nach rechts, dann nach links und schlug wild um sich.
Doch hatten es die Katzen nicht auf uns abgesehen. Sie wollten ans Tageslicht.
Draußen kreischte Helene auf, als die Tiere durch die Tür stürmten. »Heilige Scheiße! Hilfe!«
»Was habe ich gesagt?« schrie eine Stimme, die der Frau aus dem Nachbarhaus gehörte. »Eine Schande! Eine gottverdammte Schande in so einer Stadt wie Charlestown!«
Im Haus war es plötzlich so leise, daß ich das Ticken einer Uhr aus der Küche hören konnte.
»Katzen«, stieß Poole verächtlich aus und trocknete sich mit einem Taschentuch die Stirn.
Broussard überprüfte die Aufschläge seiner Hose und wischte sich ein Katzenhaar vom Schuh.
»Katzen sind klug.« Angie löste sich von der Wand. »Klüger als Hunde.«
»Aber Hunde holen dir morgens die Zeitung«, widersprach ich.
»Außerdem zerkratzen Hunde einem nicht die Couch«, fügte Broussard hinzu.
»Und sie fressen nicht die Leiche ihres Besitzers, wenn sie Hunger haben«, gab Poole zu bedenken. »Katzen schon.«
Angie gab ein würgendes Geräusch von sich. »Das stimmt doch nicht, oder?«
Langsam gingen wir in die Küche.
Ich mußte kurz stehenbleiben, den Atem anhalten und das Parfüm auf der Oberlippe einatmen.
»Scheiße«, stieß Angie hervor und vergrub das Gesicht im Taschentuch.
Ein nackter Mann war an einen Stuhl gefesselt. Keinen Meter von ihm entfernt kniete eine Frau auf dem Boden. Das Kinn war ihr auf die Brust gefallen. Das mit Blut getränkte weiße Neglige hing ihr in Fetzen bis zu den Ellenbogen herunter. Arm-und Fußgelenke waren hinter ihr zusammengebunden. Beide Leichen waren aufgedunsen und weiß wie Vulkanasche, jetzt, wo das Blut nicht mehr durch ihre Adern floß.
Der Mann war in der Brust getroffen. Eine ungeheure Detonation hatte sein Brustbein und den oberen Brustkorb zerstört. Nach der Größe des Loches zu urteilen, war der Schuß aus kurzer Entfernung von einem Gewehr abgegeben worden. Und leider hatte Poole recht gehabt, was die Freßgewohnheiten und die fragwürdige Loyalität von Katzen betraf. Nicht nur Schrot hatte sich in das Fleisch des Mannes gefressen. Durch die Auswirkungen von Kugeleinschlag, Zeit und Katzenzähnen sah der obere Teil seines Brustkorbs aus, als sei er mit der Schere eines Chirurgen freigelegt worden.
»Das ist nicht, was ich denke, daß es ist,
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