Kein Kinderspiel
heiß darauf gewesen war, in den Männerknast zu gehen. Außerdem benahm sich Cheese in ihrer Gegenwart immer irgendwie komisch, lief öfter mal rot an und fragte sie, mit wem sie momentan zusammen war. Ich fuhr mit Poole und Broussard hin, weil ich ein angeblich befreundetes Gesicht war und Cheese bekannt dafür war, mit den Herren in Blau nicht sonderlich gerne zusammenzuarbeiten.
»Verdächtiger im Mordfall Jo Jo McDaniel 1986«, las Broussard vor, als wir zur Route 2 hochfuhren.
»Sein Mentor im Drogenhandel«, sagte ich.
Broussard nickte. »Verdächtiger im Fall des verschwundenen und wahrscheinlich getöteten Daniel Caleb 1991.«
»Davon hab’ ich nichts gehört.«
»Buchhalter.« Broussard blätterte um. »Führte angeblich ein paar unappetitlichen Menschen die Bücher.«
»Dann hat ihn Cheese mit der Hand in der Kasse erwischt.«
»Sieht so aus.«
Poole sah mich im Rückspiegel an. »Sie haben ja so einige Verbindungen zur kriminellen Szene, Patrick!«
Ich setzte mich auf. »Ach, Poole, was meinen Sie denn damit?«
»Freund von Cheese Olamon und Chris Mullen«, erklärte Broussard.
»Das sind keine Freunde. Ich bin nur mit ihnen groß geworden.«
»Sind Sie nicht auch mit dem verstorbenen Kevin Hurlihy groß geworden?« Poole bremste auf der linken Spur ab und wartete auf eine Lücke im Verkehr auf der Gegenfahrbahn, damit er die Route 2 überqueren und in die Einfahrt zum Gefängnis einbiegen konnte.
»Ich hab nur gehört, daß Kevin vermißt wird«, sagte ich.
Broussard drehte sich um und grinste mich an. »Und vergessen wir nicht den berüchtigten Mr. Rogowski.«
Ich zuckte mit den Achseln. Ich war es gewohnt, daß meine Freundschaft mit Bubba andere Menschen die Stirn runzeln ließ. Ganz besonders Bullen. »Ist ein Freund von mir«, erklärte ich. »Super Freund!« sagte Broussard. »Stimmt es, daß er den Boden seines Lagers vermint hat?«
Wieder zuckte ich mit den Achseln. »Besuchen Sie ihn mal und sehen Sie selbst!«
Poole kicherte. »Apropos vorzeitiger Ruhestand.« Er bog auf die Kieseinfahrt zum Gefängnis ab. »Eine ganz schöne Gegend, aus der Sie da kommen, Patrick. Nicht schlecht.«
»Wir werden bloß alle mißverstanden«, gab ich zurück. »In Wirklichkeit haben wir alle ein gutes Herz.«
Wir stiegen aus. Broussard streckte sich und sagte: »Oscar Lee hat mir erzählt, Sie spielen nicht gerne Richter.«
»Nicht gerne was?« fragte ich und sah die Gefängnismauer hoch. Typisch Concord. Selbst der Knast sah einladend aus.
»Richter«, wiederholte Broussard. »Oscar meint, Sie verurteilen Menschen nicht gerne.«
Ich verfolgte den gewundenen Stacheldraht oben auf der Mauer mit den Augen. Plötzlich wirkte der Knast gar nicht mehr so einladend.
»Er meint, deshalb hängen Sie mit solchen Spinnern wie Rogowski rum und behalten Kontakt zu Typen wie Cheese Olamon.«
Ich blinzelte gegen die helle Sonne. »Nein«, sagte ich. »Ich bin nicht sehr gut darin, über Leute zu urteilen. Aber manchmal mußte ich es doch tun.«
»Und?« fragte Poole.
Ich zuckte mit den Schultern. »Hinterher war mir immer komisch zumute.«
»Also war Ihr Urteil falsch?« fragte Poole leichthin.
Ich dachte darüber nach, daß ich Helene vor ein paar Stunden blöd genannt hatte. Das Wort machte sie klein und schien sie gleichzeitig zu erdolchen. Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Das Urteil war richtig. Fühlte sich hinterher nur komisch an. Mehr nicht.«
Ich schob die Hände in die Hosentaschen und ging zur Eingangstür des Gefängnisses, bevor Poole und Broussard noch mehr Fragen einfielen, die sie mir über meinen vorhandenen oder nicht vorhandenen Charakter stellen konnten.
Die Gefängnisleitung hatte je einen Wachmann an den beiden Toren postiert, die in den kleinen Besucherhof des Gefängnisses von Concord führten. Die Wachleute auf den Türmen widmeten uns ihre Aufmerksamkeit. Als wir in den Hof traten, war Cheese schon da. Er war der einzige Insasse im Hof, da Broussard und Poole um ein Höchstmaß an Intimität gebeten hatten.
»Yo, Patrick, wie ist die Lage?« rief Cheese mir zu, als wir ihm auf dem Hof entgegenkamen. Er stand neben einem Springbrunnen, der neben ihm so klein wirkte wie eine Schnecke neben einem Orca-Wal mit blondem Haar.
»Nicht schlecht, Cheese. Schöner Tag heute.«
»Seh’ ich verdammt noch mal genauso, Bruder.« Er schlug mit der Faust auf meine. »Yo man. ‘n Tag wie heute ist wie ‘ne ordentliche Nummer im Bett, ‘ne Flasche Jack Daniels und ‘ne Packung
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