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Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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entfernt. Sein Gesicht war nicht nur von der lächerlichen langnasigen Maske verdeckt, sondern auch von einem mentalen Vorhang. Ihre Lippen waren farblos, zu einem wissenden Lächeln verzogen.
    Der Tanz endete, und sie verbeugten sich voreinander. Eine neue Melodie begann, hektisch, unheimlich. Es war unmöglich, danach zu tanzen. Der Ball war vorbei, und die Paare eilten auf die Schatten zu.
    Olone löste sich aus Sullivans Armen und lief zu Aiken. »Mein König!« stieß sie atemlos hervor und knickste bis auf den Boden. Der Narr schnippte mit den Fingern beider Hände und näherte sich ihr in Sprüngen. Sie erhob sich, löste sich auf in Gekicher und geriet in die erbarmungslosen Liebkosungen seiner obszönen Nase.
    Hilflos sah Sullivan sie fortlaufen. Mercy stand nun fast allein in der Mitte der großen Rasenschüssel. Die Musiker, alles Menschen, hatten die beudeutungsvolle Weise von »La Valse« angestimmt. Sullivan erschauerte unter bösen Vorahnungen. Eine geisterhafte Erscheinung, die unter den Platanen gewartet hatte, trat heraus in den Mondschein und winkte. Mercy ging langsam zu ihm. Dann erhob sie sich auf die Zehenspitzen und küßte den fleischlosen Mund des Todes.
    »Alles bereit?« flüsterte Sharn.
    »Bereit«, antworteten Ayfa und die zehn Oger.
    Sie verflochten ihren Geist und schleuderten den Bolzen.
    Olones Augen waren wie Sterne. »Oh, Aiken. Ich hätte nie gedacht, daß es so sein würde!«
    Der Possenreißer blickte ein wenig verwirrt auf sie herab. Er keuchte erschöpft. »Ich glaube, ich habe mich selbst übertroffen. Vielleicht ist doch etwas an diesem Maibaum-Zauber!«
    Anders als bei den Firvulag, fanden die Hochzeiten der Tanu in hellem Tageslicht, unter der Mittagssonne des Maitags statt. Die Brautpaare, angeführt von Aiken-Lugonn und Mercy-Rosmar, schritten zu feierlichem Chorgesang, dessen Höhepunkt das Lied war, um den goldenen Maibaum. Die Bräute und Bräutigame trugen Gewänder oder Roben in ihren eigenen heraldischen Farben, darüber weiße Mäntel. Die Bräute hatten Kränze aus weißen Lilien, die Bräutigame solche aus männlichem Farn. Mercys einzige Neuerung bei dieser alten Zeremonie war die Einfügung von RosmarinZweiglein in den Hochzeitskronen. »Das ist eine Pflanze, die auf der alten Erde seit undenklichen Zeiten benutzt wurde, um Hochzeiten zu segnen«, hatte sie erklärt, »und es ist auch meine eigene Pflanze: Rosmarin für Rosmar. Rosmarin zum Andenken ...«
    Sie dachte an eine andere Hochzeit.
    Sie hatte Mitte Juni des letzten Jahres stattgefunden -keine Massenzeremonie wie diese, sondern eine intime Feier, der nur die Höflinge und das Volk von Goriah beiwohnten. Sie hatte nicht das Blaugrün der Kreatorengilde getragen (damals war sie noch nicht initiiert gewesen), sondern das Rosa und Gold ihres Dämonenliebhabers. Wäre er am Leben geblieben, hätten sie ihr Gelübde heute bestätigt und nicht die Parade der Brautpaare angeführt, sondern die spätere Prozession der Ehepaare.
    Nodonn! schrie sie in seinem intimen Modus. Niemand hörte es. Nicht der feierliche kleine Mann in seiner golden und schwarzen Robe neben ihr, nicht Eadnar und Alberonn, die auf dem Ehrenplatz direkt hinter ihr schritten, noch sonst jemand von den einhundertundsiebenundsechzig Tanu- und goldreiftragenden menschlichen Paaren, die ihnen gemessenen Schrittes um den goldenen Schaft folgten. Sie tanzten und hielten dabei die Blumengirlanden, die von der Spitze des Maibaums niederhingen, und verwoben die Bänder immer enger, bis die Verlobten in einem dichten Kreis mit dem Gesicht zur Stange standen, die Girlanden fallenließen und sich zum endgültigen Gelübde küßten.
    Ihr von Tränen glitzerndes Gesicht von dem Aikens hebend, streckte Mercy-Rosmar Lady Kreatorin beide Hände aus und zeigte ihre metapsychischen Kräfte. In einem lieblichen Wunder füllte sich die Luft mit einem Schneesturm aus kleinen weißen Blüten, die über die sich küssenden Paare hinstoben, sich in ihrem Haar niederließen, von den Hochzeitsmänteln niederglitten und in duftenden Schwaden auf dem smaragdgrünen Tanzboden liegenblieben.
    »Slonshal!« riefen alle Zeugen. »Slonshal! Slonshal!«
    Das Ritual war vorbei, und Tausende von Rama-Dienern und menschlichen Kellnern schwärmten in dem Mai-Hain aus, alle in Aikens golden-schwarzer Livree. Die Paare und die Schar der Gäste machten es sich auf schattigem Gras bequem und taten sich an einem Picknick gütlich, und diesmal waren die Speisen und Getränke nach

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