Kein König von Geburt
Elizabeth da. Gedanken und Stimmen schrien unwillkürlich auf vor Staunen. Elizabeth trug Bredes Kleid und großen Kopfputz in Schwarz und Rot und hielt die Glaskette des Schweigens hoch in den Händen. Eine mentale Welle ging von ihr aus, beruhigte die ängstlichen Tanu-Gemüter, erinnerte sie, wer ihr diese Rolle gegeben hatte.
Und dann stand Aiken neben ihr in seiner goldglänzenden Rüstung. Sein Kopf war bloß.
»Wählt frei!« sagte Elizabeth. »Wollt ihr ihn als euren König haben?«
Die Antwort war ruhig, starr, unvermeidlich: »Wir wollen.«
»Die Tanu-Könige haben keine Krönungstradition«, sagte die Nachfolgerin der Schiffsgattin, »wie sie auch keine Tradition für die friedliche Nachfolge auf den Thron haben. Für eure Rasse ist der Monarch immer ein Held der Schlacht gewesen, und seine einzige Krone war ein Kriegerhelm. Aber dieser König hat um ein neues Symbol gebeten, und so gebe ich es ihm.«
Elizabeth reichte Aiken einen einfachen Ring aus schwarzem Glas. Er nickte ihr zu und setzte ihn sich selbst auf sein krauses dunkelrotes Haar.
Ein neuer Laut stieg von der Menge auf: Vielleicht der eingesogene oder ausgestoßene Atem oder ein Seufzer der Erleichterung oder ein unterdrücktes Schluchzen. Elizabeth beugte sich über Aiken und sprach allein zu seinem Geist. Wieder nickte er, und Elizabeth verschwand. Wo sie gestanden hatte, waren jetzt sechzehn Tanu - und Mercy.
»Ich stelle euch eure neue Hohe Tafel vor«, sagte Aiken. Seine hörbare Stimme war leise, doch sogar die am weitesten entfernt stehenden Bloßhalsigen verstanden seine Worte.
»Zuerst Mercy-Rosmar, meine Königin, die Lady Kreatorin, Mitregentin meiner Stadt Goriah.« Sie kniete vor Aiken nieder und erhielt von ihm einen grünen Ring. Er nahm ihre Hand und führte sie zu den beiden Marmor-Thronen. Sie stiegen hinauf. Einer nach dem anderen näherten sich die Kandidaten für die Hohe Tafel. Sie berührten ihre Halsringe, während ihre Gedanken stumm Treue gelobten.
»Die ehrwürdige Lady Morna-Ia Königsmacherin, Präsidentin der Fernwahrnehmer-Gilde ... Culluket der Inquisitor, Präsident der Redakteursgilde ... Bleyn der Champion, stellvertretender Lord der Psychokineti ker ... Kuhal Erderschütterer, Zweiter Lord der Psychokinetiker ... Aluteyn Handwerksmeister, Zweiter Lord Kreator und Lord von Calamosk ... Sibel Langhaar, Zweite Lady Fernwahrnehmerin ... Artigonn, Zweiter Lord Koerzierer und Lord von Amalizan ... Alberonn Gedankenfresser und Eadnar, Lord und Lady von Rocilan ... Celadeyr, Lord von Afaliah ... Armida die Furchtbare, Lady von Bardelask ... Neyal der Jüngere, Lord von Sasaran ... Thufan Donnerkopf, Lord von Tarasiah ... Diarmet, Lord von Geroniah ... Lomnovel Gehirnausbrenner, Lord von Sayzorask ... Condateyr der Donnerer, Lord von Roniah.«
Aiken sah die neu ernannten Großen an. »Ich selbst übernehme die Präsidentschaft der Koerzierer- und der Psychokinetiker-Gilde. Das Amt des Zweiten Redakteurs bleibt vorläufig vakant. Da weder Lady Estella-Sirone von Darask noch Moreyn Glashersteller, der Stadt-Lord von Var-Mesk, bei diesem Konklave anwesend sind, verschiebe ich ihre Erhebung zur Hohen Tafel, bis sie mir persönlich ihren Treueeid anbieten.«
Er erhob sich von seinem Thron. Einen Augenblick betrachtete er schweigend die Menge aus Fremden und Menschen und Mischlingen. Sein ernstes Gesicht wurde milder, und das alte spöttische Lächeln erschien, als er auf das Emblem seiner gläsernen Brustplatte klopfte. Es war so stilisiert und so mit gelben Diamanten eingelegt, daß der digitus impudicus kaum noch zu erkennen war.
»Und was ist mit euch übrigen? Seid ihr mit mir als König dieses Vielfarbenen Landes aus ganzem Herzen einverstanden?«
»Slonshal!« donnerten Gedanken und Stimmen seiner Untertanen. »Slonshal König Aiken-Lugonn! SLONSHAL! «
Die Firvulag sagten nichts. Als es irgendwem einfiel, nach ihnen zu sehen, waren sie schon unterwegs nach Nionel.
ENDE DES ZWEITEN TEILS
Dritter Teil
Der Kampf der Giganten
1
Im Schlaf rief er nach ihr: Mercy! Und er erwachte wieder in der Höhle, und die Felsen ließen keinen telepathischen Impuls durch.
Mercy! schrie sein Geist, aber der Laut, der über seine Lippen drang, war kaum hörbar. Wie immer versuchte er, sich aufzurichten. Wie immer konnte er nur die Muskeln seines Gesichts und seines Halses bewegen. Eine warme Brise, befrachtet mit dem Duft des blühenden Maquis, stahl sich an der Höhlenwand entlang. Er war sehr durstig. Den Kopf
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