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Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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schwang.
    Doch dann wandte er sich dem anderen Reiter zu und erstarrte. Kaum konnte er das Erstaunen, das seinen Geist überflutete, verbergen. Die schlanke Gestalt war menschlich und weiblich, und obwohl die mentale Unterschrift und das Gesicht maskiert waren, erkannte Moreyn, daß er keine Redakteurin, sondern ein höchst erhabenes Mitglied von Celos Kreatorengilde vor sich hatte.
    Sie hob das Visier ihrer Kapuze. Moreyn rief aus: »Große Königin! Du lebst! Es hieß doch ... wir trauerten alle ... du und die anderen Opfer des Ungeheuers Felice ...«
    »Eine notwendige Täuschung«, antwortete Mercy. »Bring mich zu meinem Gemahl!«
    »O ja, ich verstehe! « Moreyn nieste zweimal. »Um der Überwachung des Usurpators zu entkommen. Ich verstehe! Hier entlang!«
    Sie banden die Chalikos an einem Geländer fest und betraten einen nicht mehr benutzten Lagerraum, vollgestopft mit ausrangierten Maschinen. Moreyn hob eine Falltür, und sie stiegen in einen der vielen Tunnel hinab, die die Stadt der Glasmacher unterminierten. Anfangs war der Weg nur von einer psychokreativen Flamme erhellt, die aus Moreyns Finger entsprang, denn sie durchquerten seit langem aufgegebene Gebiete. Doch dann kamen sie in eine Region, wo die heißen Salzquellen noch sprudelten. Sie lagerten kristalline Massen von Natriumkarbonat ab, das von stummen Rama-Mannschaften gehauen wurde.
    In die dampferfüllten Kammern fiel von tropfenden Fackeln ein orangefarbener Schein. Die weißen und pastellfarbenen Schichten waren mit Ruß gestreift und bildeten infernalische Mauern, die in dem wabernden Licht fast lebendig zu sein schienen. Die Quellen blubberten und stießen stinkende Dünste aus. Die kleinen Affen mit ihren großen leuchtenden Augen trugen Lederstiefel und -handschuhe als Schutz vor den alkalisehen Sedimenten. Sie schlugen die Sodakristalle mit Vitredur-Pickeln ab, schaufelten sie in wartende Flachwagen und rollten die Wagen zu einem Aufzug.
    »Was für ein höllischer Ort!« sagte Mercy. »Die armen kleinen Tiere.«
    »Sie arbeiten nur eine Sechs-Stunden-Schicht lang«, verteidigte sich Moreyn. »Der Geruch ist nichts als Schwefel, und es ist viel frische Luft da. Werte Dame, unsere Minen sind wirklich ein Paradies im Vergleich mit den Goldgruben bei Amalizan ...«
    »Und er hat sich hier unten aufhalten müssen?« fragte Mercy entsetzt. Sie stiegen immer tiefer hinab. Es war heiß, und hinter den Salzwänden war ein Grollen wie von einem verborgenen Katarakt oder geheimnisvollen Maschinen zu hören.
    »Große Göttin«, knurrte Celadeyr, zog seine Kapuze zurück und öffnete den Vorderverschluß seines Anzugs. »Das ist ein verdammtes Dampfbad! Wie weit noch, Mori?«
    Der Glashersteller führte sie an eine verrammelte Holztür. Die Füllung zitterte leicht, und hinter ihr hallte der Lärm wider. »Hier durch.« Wieder ließ er die Fingerspitzen leuchten. Er hob die Stangen mit seiner PK und riß die Tür wie den Eingang zum Tartarus auf.
    Sie betraten einen abfallenden Durchweg, in dem ein brüllender Strom stinkenden Wassers floß. Die Luft war um gut fünfzehn Grad kühler und von Kloakengerüchen geschwängert. Mercy keuchte, und Celadeyr machte eilends seinen Anzug wieder zu, setzte die Kapuze auf und schloß das Visier.
    »Folgt mir! Seid vorsichtig!« Moreyn ging über einen Gehsteig voraus, die leuchtende Hand hoch erhoben. »Dies ist ein unterirdischer Abschnitt des Flusses Var. Er trägt das Abwasser der Stadt und der Fabrik über den Kontinentalsockel hinaus. Der Tunnel war einmal mehrere Meilen lang. Aber mit dem Steigen des Neuen Meeres wird er jeden Tag kürzer. Hier biegen wir ab.«
    Der Seitentunnel war gnädigerweise trocken. Ein paar Dutzend Mäuse flohen, als Moreyn die letzte Tür öffnete.
    Mercy drängte sich an dem Glashersteller vorbei in eine kleine erleuchtete Kammer, wenig mehr als ein in die gestreiften Ablagerungen eingehauenes Loch, ausgestattet mit einem Minimum an Möbeln und Vorräten. Nodonn stand dort, bleich und hohläugig. Sein goldenes Haupt streifte die niedere Decke, seine abgemagerte Gestalt war in eine weiße wollene Tunika gekleidet. Er streckte Mercy beide Hände entgegen - eine aus Fleisch und die andere aus Holz.
    Mercy brach in Tränen aus. Er zog sie an seine Brust, das Herz brannte ihm, und er sagte zu Moreyn und Celadeyr: »Verlaßt uns! Wartet über Tage! Ich kenne den Weg hier hinaus sehr gut.«
    Als die beiden Männer sich entfernt hatten und die Tür geschlossen war, hob der

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