Kein König von Geburt
Schlachtenmeister Mercy hoch und suchte ihre Lippen. Ihre Gedanken schrien wortlose Begrüßungen, jenseits von Glück und jenseits von Leid. Sie lebten, und jetzt waren sie wieder vereint, aber der Seelenhunger der schrecklichen leeren Monate konnte kaum bei diesem ersten Zusammentreffen gestillt werden. Die Zeit war zu knapp, und sie wagten es nicht, die Lebenskraft, die sie für die ihnen bevorstehende Reise brauchten, in bloßer Ekstase zu verausgaben. So war das Erscheinen des Dämons ein Seufzer, und die Erfüllung der belle dame war so sanft, wie sich ein Auge vor dem Sonnenlicht schließt. Dann hielten sie sich fest, die Gedanken noch in süßer Vereinigung.
»Die Mutterschaft hat dich vertieft, Königin«, sagte er. »Du bist ein Brunnen der Ruhe. Eine Quelle des Trostes.«
»All mein Trost ist für dich. Ich werde dich nie mehr verlassen - nicht einmal, um zu Agraynel zurückzukehren. Sie ist nur mein Fleisch. Du bist das Leben meines Geistes. Wie konnte ich daran zweifeln, daß du lebtest?
Wie konnte ich den anderen akzeptieren? Kannst du mir meine Befleckung verzeihen?«
»Wenn du mir meine verzeihst.« Er berichtete ihr von Huldah. »Es ist nicht freiwillig geschehen, aber ich weiß, daß ich eine dunkle Freude an der Schande hatte. Und nun trägt diese elende Mischlingsfrau den Sohn, den ich dir habe geben wollen, Rosmar: den ersten meiner Heerschar.«
»Gräme dich nicht deswegen, Liebster. Wir werden es irgendwann in Ordnung bringen, jetzt, wo wir wieder beisammen sind.«
Sie spürte, daß sein Körper sich verkrampfte. Er trat zurück, die beiden warmen Hände, weich und hart, umfaßten ihre Schultern. »Was das betrifft ... du wirst wohl zu ihm zurückkehren müssen.«
»Nein!« schrie sie auf. Ihr Entsetzen war wie ein Messer, und auch Furcht war dabei. »Was meinst du?«
Er wandte sich von ihr ab und zog seine Tunika aus. Unter dem Feldbett zog er zwei Säcke hervor, einen mit seiner Glasrüstung und einen mit dem Unterzeug. »Es wird nicht leicht sein, ihn zu erledigen, nachdem die Kampfgesellschaft ihn durch Akklamation zum König gemacht hat. Verlassen wir uns vorerst lieber nicht darauf, daß das Volk mich unterstützen wird ... wir müssen ihn als militärisches Ziel betrachten. Er ist ein ungeheuer starker metapsychischer Gegner. Ich kann ihn nicht fernwahrnehmen, Mercy. Auch wenn er keins dieser Milieu-Geräte trägt, schirmt er seinen Geist zu gut ab. Ich kann nicht einmal seinen physischen Bewegungen folgen, außer es ist eine zweite Person bei ihm, die unabsichtlich Hinweise aussickern läßt. Meine einzige Möglichkeit, ihn zu beobachten, liegt bei dir ...«
Ihr Geist war verhüllt. Neue Tränen verschleierten die meerestiefen Augen. »Ich habe dich gerade erst zurückgewonnen. Und du willst, daß ich gehe?«
»Das will ich natürlich nicht!« Seine Stimme war voll von Qual.
Sie ließ ihre Lippen auf seiner nackten Brust ruhen, atmete den Tanu-Hautgeruch ein, hörte sein Herz schlagen. »Ich werde zu ihm gehen, wenn du es mir sagst, Liebster. Aber ich habe eine Vorahnung ...«
Ihr Gesicht war von ihrem langen, kastanienroten Haar völlig verborgen, und sie erschauerte in ihrem Wetteranzug aus dunkelgrünem Ziegenleder. Er drückte sie an sich. »Was siehst du voraus?«
Ihre Gedanken antworteten ihm:
Mein Tod ist in ihm. Er liebt mich, und er wird mich töten. Es ist die gleiche Vision, die der arme Cull von Felice hatte. (Und wir beiden Verdammten waren fähig, einander zu beruhigen. Ein guter Witz, das!)
»Cull geht uns jetzt nichts an. Ich kann verstehen, daß Aiken dich liebt. Aber daß er dich tötet ...? Unsinn! Du bist Lady Kreatorin. Deine Energien sind lebensspendend!«
»Für Tanu vielleicht«, hauchte sie. »Nicht für Menschen. Denke an Bryan, der an mir gestorben ist.«
Nodonn meinte zynisch: »Unser leuchtender Usurpator hat das Gerücht ausgestreut, sein Blut sei ebenso Tanu wie deins. Wenn er an seine eigene Geschichte glaubt, kann er dich kaum als Sukkubus hinstellen.«
»Dann ist es vielleicht Neid. Meine Kreativität bringt Leben. Seine Psychoenergie taugt nur für die Eroberung, die Vernichtung des Gegners. Aiken wird die Liebe immer zugunsten der Macht hintanstellen. Er kann es sich nicht verzeihen, daß er mich liebt. Er wird erst dann sicher sein, wenn ich tot bin.«
»Er ist kein Ungeheuer wie Felice.«
»Nein«, räumte sie ein. »Er hätte ihr Cull vorwerfen und dadurch vielleicht Felices Angriff abwehren können. Aber er hat es nicht getan.
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