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Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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liebendes Auge, um Wache zu halten und dich vor weiterem Schaden zu behüten.«
    Und er spürte ihren Kuß, erschreckend und glühend, und ihre Umarmung und die beiden Zahnreihen in ihrer Scham wie geschärfte Perlen - niemals verletzend, nur liebend ...
    »Rowane, du bist fort!«
    Er wachte auf und befand sich wieder auf dem Rücken des trabenden Helladotheriums. Er war immer noch blind, immer noch gefesselt wie eine Räucherwurst, und immer noch holperte er über endlose Bergpfade nach Hoch-Vrazel hinauf.
    »Rowane, meine kleine Koboldblume«, jammerte er. »Warum habe ich dich verlassen? Warum?«
    »Das können wir uns alles recht gut vorstellen, nicht wahr, Jungens?« ertönte die höhnische Stimme Karbrees. Die anderen Firvulag der Gruppe schnaubten und brummten und kreischten in obszöner Freude.
    »Du hättest mehr Knoblauch und Trüffeln essen sollen, du Schlappschwanz!«
    »Oder Igel-Eintopf!«
    »Oder Alraunwurzeln! Firvulag-Frauen stellen große Ansprüche - sogar die Heulerinnen!«
    »He, ist das wahr, was man über Heuler-Mädchen sagt?«
    Die lustigen Monster setzten ihre vulgären Spottreden fort, aber Tony hörte kaum hin. Aufgestaute Tränen versuchten vergebens, den klebrigen Wachsklappen vor seine Augen zu entrinnen. Lederriemen schnitten ihm in Knöchel und Arme. Der Gang des Helladotheriums schlug wie mit Knüppeln gegen seine Nieren. Die bloße Tatsache, daß er bei Bewußtsein war, bedeutete Schmerz.
    Rowane, die er verlassen hatte, war weit weg in Nionel und heulte vielleicht gerade in diesem Augenblick die Wände ihres Flitterwochenhäuschens am Butterblumenweg nieder, das treue Herz gebrochen. Der arme Dougal, der nur ungern mit seinem Herrn geflohen war, lag wahrscheinlich am Schauplatz des Überfalls tot im Gebüsch. Die anderen, die er mißleitet hatte, waren fraglos tot - Orion Blue, Jiro, Boris und Karolina. Alle seine Opfer! Und wenn er vor den Firvulag-Monarchen in Hoch-Vrazel sang, was er bestimmt tun würde, sofern er die Reise Überstand, brachte er damit allen übrigen den Tod, die im Tal der Hyänen an den beiden Fliegern arbeiteten.
    »Ich bin durch und durch schlecht!« schrie Tony Wayland. »Schlecht! Ein Unheilbringer! Mein Silberring -warum mußten sie ihn mir nehmen?«
    Sein gefesselter Körper verrenkte sich in heftigen Krämpfen, so daß sogar das friedliche Hellad zu scheuen begann. Schließlich mußte Karbree der Wurm ihn in den Hirnstamm stechen und ihm das Vergessen gewähren, das er gesucht hatte.
    Tony fiel ein kurzes Stück und landete auf weicher Materie: Sägemehl oder vermoderte Blätter oder vielleicht nach Koniferenöl riechende Lohe.
    »Nehmt ihm die Fesseln ab! Befreit seine Augen!« sagte eine weibliche Stimme, scharf wie eine Vitredur-Klinge. »Möbelt ihn ein bißchen auf! Danach werden wir ihn 'reinbringen.«
    Seiner Bande ledig, brach Tony halb gelähmt zusammen. Er hörte eins der subalternen Monster antworten: »Ja, Schreckliche Skathe. Es soll geschehen.«
    Tony hatte das Gefühl, eine Infrarotlampe werde auf sein Gesicht gerichtet. Die zähen Wachsklumpen vor seinen Augen wurden weich. Klauen kratzten kurz um seinen Nasensattel, und dann gab es einen fürchterlichen Ruck. Eine einzige Bewegung beraubte ihn seiner sämtlichen Wimpern und gab ihm sein Sehvermögen zurück. Sein Aufschrei war so heiser, daß er in dem Stimmengewirr der ihn umgebenden Menge kaum zu hören war.
    »Wasser«, stöhnte er und wischte sich die Augen mit dem schmutzigen Handrücken. Die Sonne schien sehr hell. Vor ihrem Glanz zeichneten sich die Umrisse eines Zwergs in staubiger Obsidian-Rüstung ab, der an dem Überfall beteiligt gewesen war, und eines riesigen Firvulag von offenbar viel höherem Rang, dessen Rüstung aus schwarzem Glas ganz mit goldenen Ornamenten bedeckt und mit Karbunkelsteinen eingelegt war. Die Augen dieser Persönlichkeit glühten wie zwei langsam erlöschende feurige Kohlen. Zweifellos war das die Quelle der Strahlung, die seine Augenklappen geschmolzen hatte.
    »Gib ihm zu trinken!« sagte der Oger-Bonze. Tony stellte mit einiger Überraschung fest, daß der Riese weiblich war. Jemand hielt ihm einen Hornbecher mit einer kühlen Flüssigkeit an die Lippen, und er schluckte dankbar. Ein zweiter Zwerg mit einer Schüssel und einem Tuch wusch ihm Gesicht und Hände und massierte grob Tonys prickelnde Beine, um die Blutzirkulation anzuregen.
    Tony sah sich um. Er war an der Tür einer Art von Stall auf eine Haufen frischer Streu geworfen worden. Draußen

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