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Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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nicht mehr zu uns durchkommen.«
    »Verdammte, verrückte Kuh«, brummelte Isak. »Geh! Geh! Halte gut Wache!«
    »Gut. Es kann ja nichts schaden.«
    Sie ließ ihn als zusammengekrümmtes Häufchen liegen und verschwand in der Dunkelheit. Uber dem Wasser hatte der Himmel die Farbe von Enteneiern, ein ganz tiefes Blau mit violetten Federwölkchen über dem Rückgrat von Kersic. Ein paar verschleierte Sterne kamen heraus. Huldah summte im Ausschreiten leise vor sich hin. Es war feucht und kühl, aber das machte ihr nichts aus. Und der Gott war mit seiner Decke, die aus Streifen von Kaninchenfell geflochten war, warm zugedeckt.
    Ihr Herz füllte sich im Gedanken an ihn mit Freude. So schön, so freudenbringend noch in seinem endlosen Schlaf! (Für seine arme Hand würde er bald Ersatz bekommen, wenn Opa mit dem Abschmirgeln und Glätten fertig war.) Kehrte sie nach der vergeblichen Wache schnell zurück, war immer noch Zeit, ihn zu verehren, und Opa würde aufwachen und Zusehen und stöhnen.
    »Ich hasse dich, Opa«, sagte sie.
    Sich durch den dichten Maquis zwängend, erreichte sie endlich den Gipfel, wo es einen freien Platz zwischen verdrehten Regenschirm-Pinien und einen hohen silbergrauen Holzstapel gab. Huldah stellte den Feuertopf auf den Boden, legte die Fackel daneben und trat an den steil nach Westen abfallenden Rand des Vorgebirges. Sie setzte sich auf die Kante, ließ ihre kräftigen Beine baumeln und sich von dem auffrischenden Wind kitzeln, der ihren Rock hochtrieb.
    Da unten in jener Bucht, an einem Ort scharfer Riffe, jetzt vom Wasser bedeckt, hatte sie ihn gefunden. Das Wunder. Die Freude. Den Gott vom Meer. Seine Augen hatten sich in den Monaten, die sie ihn gepflegt hatte, nie geöffnet, aber sie wußte, das würden sie eines Tages tun, jetzt, wo seine schrecklichen Wunden geheilt waren. Er würde aufwachen und sie lieben.
    »Dann werden wir Opa töten«, entschied Huldah.

8
    An der Maghreb-Küste Afrikas schlugen schwarze Wellen an den Fuß der Rif-Berge und der alten vulkanischen Hügel, die einmal das südliche Ende eines Gerölldamms verankert hatten. Ein dünner Nieselregen hatte eingesetzt.
    Kuhal Erderschütterer, Zweiter Lord der Psychokinetiker, hatte das Lager an der geschütztesten Stelle aufgeschlagen, die er finden konnte, einem steilwandigen Wadi mit einer dünnen Wasserspur, die im Kies des Strandes verschwand, bevor sie das Neue Meer erreichte. Dort standen Palmen und blühende Akazien, und eine auffallende Gruppe pinkfarbener Narzissen nickte im tiefen Schatten neben einer kleinen Quelle.
    Er hatte das Firvulag-Lederboot wie eine Kuppel über einer ziemlich trockenen Nische aufgebaut. Darunter lag Fian. Kuhal war es mit seiner schwachen Kreativität gelungen, Feuer zu machen, aber das Abendessen war mager: ein Palmenherz, zwei fast ausgebrütete, mit den Embryos gebackene Vogeleier, ein paar im letzten Rest des Hamsterfetts gebratene Akazienblüten, die köstlich schmeckten, aber wenig Substanz hatten. Eine Schlange von Ausmaßen, bei denen einem der Mund wässerte, war ihm entkommen. Und von den reichlich vorhandenen Narzissenzwiebeln wußte Kuhal, daß sie giftig waren.
    Fian stöhnte. Der Nieselregen verwandelte sich in Schauer, die von scharfen Böen gegen die Lederhaut des Bootes geschleudert wurden.
    KALT!
    kalt     kalt
    KALT    KALT
    KALTKALT      ich/ich weiß.     KALTKALT
    kalt      kalt
    kalt kalt
    KALT
    Der Schlafrock, den Kuhal aus den Fellen kleiner Tiere hergestellt hatte, fiel schon fast in Stücke. Die Sehnennähte waren verfault, und das brüchige Leder hatte die meisten Haare verloren. Er hatte versucht, den Rock mit frischen Fellen zu flicken, aber die älteren Teile neigten dazu, von den Flicken abzureißen. Kuhal stopfte das zerlumpte Ding so fest wie möglich um Fian fest. Dann ging er, um mehr Holz für das Feuer zu suchen. Er fand tote Zweige auf einem Baum höher im Wadi. Dornen rissen seine Hände auf, als er sie in Stücke brach und auf das rauchende Feuer häufte. Er kroch wieder unter das Bootsdach, zog seinen durchweichten und schleimigen Poncho aus und hängte ihn über eine Ruderbank. So diente er als Vorhang und Wärmefalle. Das Antilopenfell stank gräßlich. Fian regte sich, zupfte an den Verbänden aus schmutzigem, rosig-goldenem Stoff, die seine furchtbaren Kopfwunden bedeckten. Kuhal zog die Hände seines Bruders davon zurück und drückte sie fest unter die Felldecke. Sie waren feuchtkalt; die Haut spannte sich über

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