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Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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Vorrechte«, versicherte Aiken ihr, »gehören zum Amt.«
    Er ging zu dem grinsenden Raimo hinüber, legte seinem alten Freund den Arm um die Schulter und rief aus: »Und jetzt - seid guten Mutes, ihr alle! Aiken Drum ist hier! Schluß mit dem Wartenlassen, dem Durchsuchen, dem widerwärtigen Befragen. Ihr kommt alle mit mir in meine Glasburg, und da werden wir feiern!«

7
    Der alte Isak Henning keifte und keifte, und schließlich erklärte Huldah sich bereit, die mühsame Klettertour auf den Berg zu unternehmen und dort bis Mitternacht Wache zu halten. Dabei wußte sie, daß es bald regnen würde.
    »Wir sind als einzige noch übrig, um die Warnung zu geben!« Knochige Daumen gruben sich in ihre kräftigen Oberarme. Isaks trübe Augen rollten angstvoll in die Richtung der inneren Höhle. »Es ist die gefährlichste Zeit überhaupt! Vollmond nach der Tagundnachtgleiche des Frühlings! Die Jagd wird bestimmt kommen. Das geschieht jedes Jahr. Und nun hör mir zu, Mädchen! Wenn du sie, von Aven kommend, über die Lagune fliegen siehst, entzündest du das Signalfeuer. Ganz Kersic verläßt sich auf dich!«
    »Ja, Opa.«
    »Er könnte sie rufen! Sogar in seinem Schlaf!« Die Stimme des alten Mannes war ein bösartiges Zischen.
    »Ja, Opa.«
    Zitternd schaufelte Isak glühende Kohlen aus dem Kochfeuer in einen Keramikbecher. Er häufte Asche darauf, damit sie nicht zu schnell niederbrannten. Huldah nahm den Becher und die dicke Fackel aus talggetränkten Pflanzenfasern, die er vorbereitet hatte.
    »Jetzt weißt du, was du mit diesen Dingen zu tun hast!« schnauzte er sie an.
    »Was?« fragte sie.
    »Das Signal, du verdammte blöde Kuh!« explodierte er. »Wenn du die Fliegende Jagd siehst, benutzt du die heißen Kohlen, um die Fackel anzuzünden. Dann benutzt du die Fackel, um den großen Holzstapel in Brand zu setzen!«
    Huldah lächelte. »Fackel anzünden. Holz in Brand setzen. Ja, Opa.«
    Der alte Mann kreischte beinahe. »Aber nur, wenn du die Jagd siehst, verdammt! Nur wenn du sie zwischen den Sternen auf uns zukommen siehst - sich drehend und steigend und fallend wie eine aus Regenbogenlichtern gemachte Schlange!«
    »Ist gut.« Huldah stand und blickte geistesabwesend auf ihn hinab. Sie hatte nichts von physischer Schönheit an sich, nur Kraft und Gesundheit. Ihre Lippen und Wangen glänzten von den butterfetten gebratenen Haselmäusen, die sie zum Abendessen gehabt hatten. Ihr Wildlederhemd war noch ziemlich sauber. Ihre Brüste, die aus einem Grund schwollen, den Isak durchaus zu erraten vermochte, strafften das Leder zwischen den vorstehenden Warzen.
    »Nun?« brüllte er. »Geh schon, du Riesenbaby!«
    Sie blieb im Vorraum der Höhle stehen. Ihre Hände, in denen sie Fackel und Becher hielt, hingen an ihren Oberschenkeln nieder. »Du wirst dem Gott nichts tun, solange ich weg bin, Opa.«
    Isak wandte den Blick ab. »Du steigst auf den Berg hinauf. Tu deine Pflicht und überlaß ihn mir!« Sein Atem ging schnell. »Die Fliegende Jagd kann schon unterwegs nach Kersic sein!«
    »Du wirst dem Gott nichts tun.«
    Huldah deponierte Kohlenbecher und Fackel auf den Steinfußboden. Isak versuchte sich zu ducken, aber sie war viel zu schnell für ihn. Sie packte seine stockdünnen Arme, drückte sie ihm gegen die Rippen und hob ihn hoch. In der Luft baumelnd, mit steifen Armen von der Titanin gehalten, trat und heulte und spuckte er wütend nach ihr. Schließlich brach er in Tränen aus. Sie setzte ihn mit großer Sorgfalt ab, hockte sich neben ihn, als er zusammenbrach, und wischte ihm das Gesicht mit einem Zipfel ihres geschlitzten Hemdes ab.
    »Du wirst meinem Gott vom Meer nichts tun«, stellte sie befriedigt fest.
    »Nein.« Er konnte nicht aufhören zu erschauern. Der Moschusgeruch, der von ihr ausging, war überwältigend.
    »Dann gehe ich«, sagte sie. »Und wenn ich die Fliegende Jagd sehe, werde ich dein Signalfeuer entzünden. Obwohl auf Kersic keine anderen Leute mehr übrig sind, die es sehen könnten.«
    »Doch, es gibt noch welche«, jammerte der alte Mann. Er bedeckte das Gesicht mit den Händen.
    »Nein«, entgegnete Huldah. »Sie sind weggesegelt, als das salzige Wasser stieg. Hier sind jetzt nur noch du und ich und der Gott.« Sie tätschelte Isak freundlich den sommersprossigen Kahlkopf und hob das Feuergerät wieder auf. »Und die Fliegende Jagd wird nie mehr kommen. Das Wasser ist zu tief. Es ist tief genug, um sich in den Spalt zu ergießen, wo die Sonne untergeht. Deshalb können die Jäger

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