Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
Vom Netzwerk:
Vorräte anzulegen, bis die Meteoritenschauer den Beginn des Pliozän-Frühlings verkündigen würden.
    Schließlich fielen die Meteoriten, der Regen hörte auf, und die unterirdischen Flüsse fielen auf einen schiffbaren Wasserstand. Alles war bereit. Die große Heuler-Wanderung begann.
    Zehn Tage nach der Tagundnachtgleiche marschierte Reihe um Reihe von Mutanten, alle gut gekleidet und bei sich tragend, was sie an Schätzen besaßen, zu dem »Allikys Schacht« genannten fürchterlichen Bohrloch. Nach einer kurzen Anrufung Teahs durch Sugoll begann die Aufzugmaschinerie zu knarren, und die großen Eimer senkten sich mit Gruppen von fackeltragenden Reisenden nieder: männlichen und weiblichen, Hermaphroditen und Neutren, Kindern und Alten, mit den diabolisch Mißgestalteten und den Quasi-Normalen. Alle waren sie Heuler, und sie heulten ein Abschiedslied, das wie ein Chor der Verdammten aus den Tiefen emporstieg.
    Auf der niedrigsten Ebene der Feldberg-Minen stiegen sie aus. Sie wanderten an Haufen von Granatsteinen, gelben und rosa Beryllen und grünen Turmalinen vorbei, die in unbeachtetem Überfluß herumlagen. Dann formierten sie sich zum Gänsemarsch und stiegen noch tiefer in die granitenen Eingeweide des Feldbergs hinab, natürlichen Spalten im lebenden Fels folgend, wo die Fackeln in der klammen Luft qualmten und klingelnde Wassertropfen den unheimlichen Heulergesang untermalten.
    Endlich gelangten sie in eine große unterirdische Kammer. Kübel mit brennendem Öl beleuchteten einen neu konstruierten Kai am Ufer eines Sees, der so schwarz war wie eine Onyx-Platte. Hier ankerte eine riesige Flotte aus stabilen Stakkähnen, bemannt von monströsen Bootsmännern mit Stangen. Immer noch singend und ihre Feuerbrände hochhaltend, kletterten die Leute an Bord. Sugolls geschmücktes Fahrzeug an der Spitze, glitten die Boote eins nach dem anderen davon. Ein fackelerhellter Zug zog sich über das Wasser, so weit das Auge sehen konnte, und verschwand in undurchdringlicher Dunkelheit.
    Es war eine Reise, die nur wenige Heuler je zuvor gemacht hatten. Unter dem Feldberg-Massiv befanden sich unzählige Wasserhöhlen mit Quellen und dunklen Wasserfällen und Bächen und Fontänen in verwirrender Vielfalt. Die oberen Ebenen waren eingehend erforscht worden, ebenso die unterirdischen Nebenflüsse des Paradies- und des Ystroll-Stroms. Aber nur ein paar unerschrockene Abenteurer hatten schon gewagt, den Schwarzen See zu überqueren, und diese waren lange tot und hatten nichts als halbvergessene Erzählungen über das, was voraus lag, zurückgelassen.
    Katlinels Fernsicht, die unter der Erde beschränkt war, stellte das einzige Hilfsmittel ihrer Navigation dar. Die Boote fuhren in einen natürlichen Tunnel ein. Er war breit, hatte jedoch eine niedrige Decke. Der Gesang wurde von den Wänden hin und her geworfen, bis die Leute schließlich vor Verwirrung und Bestürzung verstummten. Um sie zu zerstreuen, öffnete Katlinel ihren Geist und erzählte Geschichten von der Welt der Tanu und der normalen Firvulag. Höhepunkt waren die folgenschweren Ereignisse des letzten Großen Wettstreits und der Flut, die sie von überlebenden Mitgliedern ihrer Kreatorengilde durch Fernsprechen erfahren hatte.
    Nach fünf Stunden hielt die Flotte an einem Platz an, der geeignet war, dort zu essen und sich auszuruhen. Dann ging die Reise mit frischen Bootsmännern weiter, und Lord Greg-Donnet übernahm das Amt des Alleinunterhalters. Stunde um Stunde hielt er telepathische Vorlesungen über die genetischen Wirkungen harter Strahlung und über biologische Techniken zur Reparatur beschädigter Chromosomen. Die Fackeln erloschen eine nach der anderen, die Reisenden in den Booten sanken in Schlaf, und schließlich waren die einzigen Geräusche das Rauschen und Stampfen der Staken, das Platschen des Wassers und das gedämpfte Wimmern schlafender Kinder.
    Weitere Stunden vergingen. Sugoll und Katlinel saßen Seite an Seite im Bug des vordersten Bootes, während Greg-Donnet hinter ihnen auf einem Stapel Lederkissen schlummerte. Der Lord und die Lady der Mißgestalteten teilten ihre Hoffnungen und Ängste im intimen Gedankenmodus, sprachen sich gegenseitig Mut zu und lachten sogar über die Überraschung, die König Sharn und Königin Ayfa bevorstand. Die Monster-Einberufung hatte die Zahl der Heuler ungeheuerlich ansteigen lassen, bis sie am Ende statt der ursprünglichen etwa 700 Feldberg-Bewohner nahezu 9000 betrug. Von ihnen waren 1256 Jungfrauen im

Weitere Kostenlose Bücher