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Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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zweiten Platz ein. Du bist jedoch auch freundlich zu einer um einen Toten trauernden menschlichen Frau gewesen - und einmal, vor achthundert langen Jahren, hast du Königin Nontusvel Hebammendienste geleistet, als sie ihren ersten Sohn gebar. Die Arbeit wird sich diesmal nur ein wenig davon unterscheiden. Und natürlich ist Agraynel ein Mädchen. Aber in dem Augenblick, wo ihre Aura sich von meiner getrennt hat, wirst du sofort sehen, daß sie eine außergewöhnliche Persönlichkeit ist, wert, dein Patenkind zu sein.«
    Mercy ergriff eine von Mornas kühlen trockenen Händen und drückte sie auf ihren Bauch. »Fühle sie! Erkenne sie! Sie ist bereit.« Der Fötus stieß heftig, und Mercy lachte. Die beiden Frauen umarmten sich im Geist. »Nun denn. Bring mich auf die Bühne des Audienzsaals!«
    In dem großen Raum herrschte stark gedämpftes Licht, und natürlich waren die Buntglasfenster, die ihm bei Tageslicht seine Pracht verliehen, für die Nacht maskiert. Es waren keine Feenlichter da, nur Wandleuchter mit Kerzen, die einen flackernden orangefarbenen Schein auf die Bühne warfen. Kein Bett war darauf zu sehen, kein Sessel, kein Gebärstuhl. Dort stand nur ein goldener Tisch mit zwei großen Becken - eins aus gehämmertem Gold, das andere aus durchsichtigem Kristall, zur Hälfte mit warmem Wasser gefüllt. Neben dem Tisch ragte die Gestalt Dionkets Lord Heilers auf, der aus seinem freiwilligen Ruhestand in den Pyrenäen herbeigerufen worden war. Er hielt einen goldenen Beutel in der einen und eine glitzernde Rubinklinge in der anderen Hand. Die drei Tanu-Mädchen hinter ihm wirkten sich ihrer Bedeutung bewußt und strahlten kein kleines bißchen Besorgnis aus. Es waren eine Redakteurin in Rot und Weiß, eine Psychokinetikerin in Rosa und Gold und eine blaugekleidete Koerziererin - letztere keine andere als Olone, die Verlobte Sullivan-Tonns.
    Ganz langsam trat Mercy an die Rampe und blieb dort allein stehen. Unbeweglich verharrten die mehreren hundert Zuschauerinnen in ihren weißen Kapuzenmänteln. Ihre Gedanken waren ebenso sorgfältig verhüllt wie ihre Körper.
    Ich grüße euch Schwestern, sprach Mercy sie telepathisch an.
    Wir sind deinem Ruf gefolgt, flüsterten die mentalen Stimmen, Lady von Goriah.
    Ich bin hier, um eine neue Art vorzuführen, wie man Leben erzeugt. Ihr wißt, daß meine Kräfte groß sind und daß sie sich von denen der meisten Tanu-Kreatoren unterscheiden. Sie sind sanft, nicht aggressiv. Sie sind nicht für den Kampf, sondern für die Erhaltung. Ich will sie euch lehren. Denn ihr könnt alle, wenn ihr möchtet, diesem Weg folgen, den ich euch jetzt zeigen werde.
    Sie trat an den Tisch zurück, zu Dionket. Morna und die drei Mädchen hielten sich im Hintergrund. Mercy stand mit dem Gesicht zu dem Publikum aus atemlosen Frauen und schloß die Augen. Der große Lord Heiler bewegte die Hand. Aus seinem goldenen Beutel floß ein Stoff, der dünner als die feinste Plastikfolie war. Er legte sich über Mercy wie ein ganz durchsichtiger Schleier über eine Statue. Ihr Körper begann zu strahlen, am hellsten um den geschwollenen Unterleib. Das weiße Gewand schien so transparent wie die »Haut« zu werden, und inmitten des Lichts war eine kleine Gestalt.
    Etwas, das beinahe wie Ektoplasma war, kam aus Mercys Körper, schimmerte durch die Unterleibsdecke und schwebte zwischen ihre nun ausgestreckten Hände. Ein mentales Aufstöhnen, das sofort unterdrückt wurde, kam von der Menge. Dionkets strenges Gesicht verzog sich zum Lächeln. Die am nächsten stehenden Zuschauerinnen nahmen ein großes Netz aus redigierenden und psychokinetischen Kräften seines Geistes wahr, die sich mit der kreativen Fähigkeit der Mutter zu einer fast augenblicklichen Heilung verbanden.

     
    Dionket winkte, und die Haut löste sich in Nichts auf. Mit fernsehenden Augen erblickten alle Frauen Mercy, die auf ihr Neugeborenes niedersah. Das Baby war noch in die fötalen Membranen gehüllt. Eine spinnwebfeine Blase voller Flüssigkeit, dem Amnion, schwebte oberhalb von Mercys ausgestreckten Händen. Die Nabelschnur, noch an der Plazenta hängend, war deutlich sichtbar.
    Nun ergriff Morna das goldene Becken und hielt es mit Hilfe der psychokinetischen Assistentin unter das Kind. Dionkets Rubin-Skalpell blitzte kurz auf, und das Wasser strömte nieder. Noch einmal berührte der Heiler das Kind, um die Nabelschnur zu lösen, und die Membranen verschwanden mit ihr in der Schüssel.
    Agraynel öffnete die Augen. Nach Mercys

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