Kein König von Geburt
Dämonenliebhaber selbst erschien neben ihr, um sich mit ihr anzusehen, wie die Sonne hinter der Bretonischen Insel unterging, bis die Feuerfarben sich endlich in ein sternenbesetztes Violett verwandelten. In einer Nacht wie dieser hätten sie dem scheuen zunehmenden Mond einen gemeinsamen Wunsch hinaufgesandt.
Und nun ruhten die Knochen des glorreichen Apollo im Schlamm des Neuen Meeres. »Aber meine werden hier liegen«, erzählte sie dem Kind in ihr, »in diesem Land der Bretagne, wo ich sechs Millionen Jahre in der Zukunft geboren worden bin. Und eines Tages werden Georges Lamballe und Siobhan O'Connell am Strand der Belle île en Hang wandern und einen Stein mit einem dünnen Kohlenstoff-Überzug und einem Phosphorstreifen finden. Und das werde ich sein.«
Der Fötus teilte ihren Schmerz und zuckte, und sie wurde von Reue überwältigt.
Frieden liebste Agraynel Frieden Granida AdermeinesHerzens. Heute nacht wirst du befreit werden.
Das Ungeborene entspannte sich. Mercy versuchte von neuem, den Geist ihres Kindes auszuloten. Unter den mühelos wahrzunehmenden Oberflächen-Emotionen war die Persönlichkeit unfaßlich, von greller, hungernder Andersartigkeit. Das Vorbewußtsein von Thagdals Mischlingstochter war ein summender Strudel, der ungeduldig darauf wartete, eine neue Welt physischer Sensationen einzusaugen, und sich nicht mehr mit den begrenzten Stimuli des Mutterleibes zufriedengab. Das Kind sehnte sich, ohne es zu wissen, nach inhaltsreicheren Erfahrungen als den vom Wasser weitergeleiteten Geräuschen, die Herz und Lungen und Verdauungstrakt der Mutter machten, der trüben Röte, die es mit verschleierten Augen sah, den vagen Tastempfindungen, abgestumpft durch die Hülle der Käseschmiere, und den allgegenwärtigen Geschmack und Geruch nach amniotischer Flüssigkeit. Mehr! schien die unartikulierte telepathische Stimme zu rufen. Und die Mutter antwortete: Bald.
Agraynels Ultrafähigkeiten waren (wie die aller kurz vor der Geburt stehenden Kinder, ob nun potentiell operant oder latent) ganz auf das Liebesbedürfnis ausgerichtet. Sie schlug mit ihrer schwachen Psychokinese gegen das Gefängnis des Uterus, sie zupfte mit Redigierungsversuchen an Mercys Bewußtsein, sie versuchte, zwischen ihnen beiden ein unzerreißbares Band zu schaffen, obwohl sie nach Freiheit strebte, und ihre koerzible Kraft war am stärksten. Und dadurch wurde das alltägliche Wunder bewirkt, die metapsychische Verbindung zwischen jeder normalen Mutter und ihrem Kind.
Liebe! rief der unersättliche kleine Geist. Mehr Liebe!
Mutter liebt dich. Du liebst Mutter. Schlafe.
Der Kindergeist trieb zufrieden davon.
Armer Aiken, dachte Mercy, Vergleiche ziehend.
Und dann: Nodonn. Mein Nodonn.
»Aber das ist bei uns nicht Brauch!« protestierte Lady Morna-Ia. »Eine Mutter unserer Kampfgesellschaft erträgt die Wehen tapfer, bis sie gesiegt hat! Und besonders du, die du die Matriarchin einer neuen Heerschar werden magst!«
»Die Geburt wird so ablaufen, wie ich es entschieden habe«, entgegnete Mercy. »Der Lord-Heiler ist gekommen, um mir mit der Haut beizustehen, und alle edlen Damen erwarten uns jetzt im Audienzsaal.«
»Alle?« Morna war ebenso beeindruckt wie bestürzt. »Um diesem höchst privaten, heiligen Augenblick beizuwohnen?«
»Die weiblichen Ritter, die Lord Aiken-Lugonn begleiten, müssen ihre Instruktionen später bekommen. Aber die anderen sind anwesend. Ich verzichte auf meine Privatsphäre. Ich bin Lady Kreatorin, und es ist meine Pflicht, euch alle hierin zu unterweisen. Für die Zukunft.«
Morna konnte ihre Absicht nicht mißverstehen. »Du hast doch nicht etwa vor ...«
»Wenn sie es sehen - und die Wirkung auf das Neugeborene erkennen - werden sie es nicht mehr anders haben wollen.«
Morna senkte den Kopf. »Wie du sagst, bist du Lady Kreatorin. Aber es hat sich so vieles verändert.«
Mercy lächelte der über ihr aufragenden Frau in der lavendelfarbenen Robe ermutigend zu. Heute abend waren ihre Augen von einem leuchtenden Blau, und ihr kastanienrotes Haar hing offen herab. Sie trug ein langes Gazehemd, weiß mit goldenem Saum. Ihre Arme waren bloß, die Haut sehr hell, mit winzigen Sommersprossen bestäubt. Ihr Gewand war vom Hals, wo der goldene Reif schimmerte, zwischen den vollen Brüsten bis zu der Stelle geschlitzt, wo die Wölbung des Bauches begann.
»Liebe fernschauende Schwester Morna, du bist jetzt Anwärterin auf das Amt der Königsmacherin und nimmst unter den höchst erhabenen Damen den
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