Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
sagen.«
»Gehen wir.« Sam hält auf die Tür zu.
Ich schnappe mir meine Tasche und wünschte einmal mehr, mein T-Shirt hätte keinen riesengroßen Fleck.
»Hey, Wallander«, sagt Vicks. »Eins nur. Falls du es vergessen haben solltest: Alle sind entweder bei der Tagung oder auf dem Weg dorthin.«
Es ist ganz still, bis auf das wütende Klicken, mit dem Sam die Mine seines Kugelschreibers ein- und ausfährt. Ich wage nicht zu sprechen. Und ganz bestimmt wage ich nicht, Vicks anzusehen.
»Poppy«, sagt Sam schließlich. »Hätten Sie ein bisschen länger Zeit? Könnten Sie mit nach Hampshire kommen?«
77 Oder ich. Auch wenn mich keiner fragt.
ELF
E s ist völlig surreal. Und spannend. Und etwas nervig. Alles gleichzeitig.
Nicht dass ich meine noble Geste ernstlich bereuen würde. Ich meine immer noch, was ich im Büro gesagt habe. Wie hätte ich mich abwenden können? Wie wäre ich dagestanden, wenn ich Sam nicht wenigstens meine Hilfe angeboten hätte? Andererseits jedoch dachte ich, die Bahnreise nach Hampshire dauert vielleicht eine halbe Stunde. Aber da hatte ich mich ziemlich verschätzt.
Ich sollte jetzt eigentlich beim Friseur sitzen. Ich sollte mich über Hochsteckfrisuren unterhalten und mein Diadem anprobieren. Stattdessen stehe ich im Bahnhof Waterloo herum, kaufe mir einen Becher Tee und klammere mich an das Handy, das ich, wie ich wohl nicht erst erwähnen muss, beim Gehen vom Schreibtisch genommen habe. Sam hat bestimmt nichts dagegen. Ich habe Sue gesimst, dass es mir ehrlich leidtut, den Termin bei Louis zu versäumen, ich aber selbstverständlich trotzdem bezahlen werde, und dass sie Louis liebe Grüße bestellen soll.
Ich habe mir die Nachricht noch mal angesehen, nachdem ich sie geschrieben hatte, und dann die Hälfte der Küsschen gelöscht. Dann habe ich sie wieder eingesetzt. Dann habe ich sie wieder gelöscht. Vielleicht reichen auch fünf.
Im Moment warte ich darauf, dass Magnus abnimmt. Er fliegt heute Nachmittag nach Brügge zu seinem Junggesellenabschied, also ist es nicht gerade so, als könnten wir uns treffen, aber trotzdem … Mir scheint, ich sollte ihn wenigstens mal anrufen.
»Oh, hi, Magnus!«
»Pops!« Die Verbindung ist sehr schlecht, und im Hintergrund höre ich eine Lautsprecheransage. »Wir gehen gleich an Bord. Alles okay?«
»Ja! Ich wollte nur …« Ich bin mir gar nicht sicher, was ich hier gerade erreichen will.
Wollte dir nur sagen, dass ich mit einem Mann, von dem du nichts weißt, nach Hampshire fahre, weil ich in eine Affäre verwickelt bin, von der du ebenfalls nichts weißt.
»Ich … bin heute Abend unterwegs«, sage ich lahm. »Falls du anrufst.«
Na also. Das war ehrlich. Mehr oder weniger.
»Okay!« Er lacht. »Na, dann amüsier dich. Süße, ich muss …«
»Okay! Bye! Und viel Spaß!« Die Leitung ist tot, und als ich aufblicke, sehe ich Sam, der mich beobachtet. Unsicher zupfe ich an dem Hemd herum, das ich trage, und wünsche einmal mehr, ich hätte kurz in eins der Bahnhofsgeschäfte reingeschaut. Wie sich herausstellte, hatte Sam tatsächlich ein Ersatzhemd in seinem Büro, und mein T-Shirt sah so schlimm aus, dass ich es mir ausgeliehen habe. Was die Situation nur noch beklemmender macht, weil ich sein gestreiftes Hemd von Turnbull & Asser trage.
»Wollte mich nur kurz von Magnus verabschieden«, erkläre ich unnötigerweise, da er die ganze Zeit danebenstand und sicher jedes Wort gehört hat.
»Das macht dann zwei Pfund.« Die Frau im Sandwichshop reicht mir meinen Becher.
»Danke! Gut … wollen wir dann mal?«
Als Sam und ich durch die Bahnhofshalle gehen und in den Zug einsteigen, habe ich wieder dieses Gefühl, im falschen Film zu sein. Ich bin ganz ungelenk vor Verlegenheit. Bestimmt halten uns alle für ein Paar. Was ist, wenn Willow uns sieht?
Nein. Werd nicht paranoid. Willow saß im zweiten Bus zur Tagung. Sie hat Sam eine Mail geschickt, um ihm Bescheid zu geben. Und außerdem ist es ja nicht so, als würden Sam und ich etwas Verbotenes tun. Wir sind nur … Freunde.
Nein, »Freunde« fühlt sich nicht richtig an. »Kollegen« aber auch nicht. Eigentlich nicht mal »Bekannte« …
Okay. Sagen wir, wie es ist: Es ist schräg.
Ich sehe zu Sam hinüber, um herauszufinden, ob er dasselbe denkt, aber er starrt nur aus dem Fenster. Der Zug ruckt an und zuckelt los. Da kommt Sam zu sich. Als er merkt, dass ich ihn beobachte, wende ich mich eilig ab.
Ich versuche, entspannt zu wirken, doch insgeheim stehe ich ziemlich unter
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