Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
Tisch. Bei den E-Mails ist nichts über die Memo-Krise. Offenbar läuft das alles zwischen einigen ausgewählten Kollegen.
»Sie wissen aber schon, dass Sie sich früher oder später eine neues Telefon kaufen müssen, oder?«, sagt Sam mit hochgezogener Augenbraue, als er wiederkommt. »Oder haben Sie vor, von jetzt an alle Ihre Handys aus dem Müll zu holen?«
»Woher sonst?« Ich zucke mit den Schultern. »Mülleimer und Papierkörbe.«
Das Handy summt mit einer Mail, und automatisch greife ich danach, doch Sam kommt mir zuvor. Seine Hand streift meine, und wir sehen uns an.
»Könnte für mich sein.«
»Stimmt.« Ich nicke. »Machen Sie nur.«
Er sieht nach, dann schüttelt er den Kopf. »Das Honorar für den Hochzeitstrompeter. Hier, für Sie.«
Mit triumphierendem Lächeln nehme ich ihm das Handy ab. Ich schicke Lucinda eine kurze Antwort, dann lege ich es auf den Tisch zurück. Als es gleich darauf wieder summt, greifen wir beide danach, und ich komme ihm knapp zuvor.
»Billige Hemden.« Ich reiche es an ihn weiter. »Nicht so mein Ding.« Sam löscht die Mail, dann legt er das Handy wieder auf den Tisch.
»In die Mitte!« Ich verschiebe es ein Stückchen. »Schummler.«
»Legen Sie die Hände auf die Knie«, erwidert er. »Schummlerin.«
Wir schweigen. Beide sitzen wir aufrecht da und warten darauf, dass das Handy summt. Sam wirkt dermaßen konzentriert, dass ich fast lachen muss. Auf einmal klingelt irgendwo anders im Waggon ein Handy, und Sam greift schon halb nach unserem, bis er es merkt.
»Tragisch«, murmle ich. »Kennt nicht mal seinen eigenen Klingelton.«
Plötzlich piept in unserem Handy eine SMS , und Sams kurzes Zögern genügt mir, um ihm das Telefon zu entreißen.
»Haha! Und ich wette , es ist für mich …«
Ich klicke den Text an und lese ihn. Er kommt von einer unbekannten Nummer, und es ist nur eine halbe SMS , aber das Wesentliche wird klar …
Ich lese noch mal. Und noch mal. Ich blicke zu Sam auf, und plötzlich lecke ich mir die trockenen Lippen. Nie und nimmer hätte ich das erwartet.
»Ist es für Sie?«, sagt Sam.
»Nein.« Ich schlucke. »Für Sie.«
»Vicks?« Seine Hand ist schon ausgestreckt. »Sie sollte diese Nummer nicht anrufen …«
»Nein, nicht Vicks. Nichts Geschäftliches. Es ist … es ist … privat.«
Und doch lese ich es noch einmal, will das Handy nicht aus der Hand geben, bevor ich mir nicht absolut sicher bin, was ich da sehe.
Ich weiß gar nicht, ob das hier die richtige Nummer ist. Aber ich muss Ihnen was sagen: Ihr Verlobte betrügt Sie. Und zwar mit jemandem, den Sie kennen … (Eingehender Text)
Ich wusste es. Ich wusste , dass sie ein Biest ist, und diese halbe SMS beweist, dass Willow noch schlimmer ist, als ich dachte.
»Was ist?« Sam schlägt ungeduldig mit der Hand auf den Tisch. »Raus damit. Hat es mit der Tagung zu tun?«
»Nein!« Ich knete das Telefon mit beiden Händen. »Sam, es tut mir wirklich leid. Und ich wünschte ehrlich, ich hätte es nicht zuerst gesehen. Aber hier steht …« Ich zögere, quäle mich. »Hier steht, dass Willow Sie betrügt. Tut mir leid.«
Sam sieht zutiefst schockiert aus. Als ich ihm das Handy reiche, fühle ich schmerzlich mit ihm. Wer zum Teufel verschickt solche Nachrichten per SMS ?
Ich wette, sie vögelt Justin Cole. Die beiden würden gut zueinanderpassen.
Ich suche den Kummer in Sams Miene, doch nach dem ersten Schreck scheint er mir außergewöhnlich ruhig. Er runzelt die Stirn, geht zum Ende der Nachricht, dann legt er das Handy wieder auf den Tisch.
»Sind Sie okay?«, kann ich mir nicht verkneifen.
Er zuckt mit den Schultern. »Ergibt keinen Sinn.«
»Ich weiß!« Ich bin seinetwegen dermaßen aufgewühlt, dass ich meine Meinung nicht für mich behalten kann. »Warum sollte sie so etwas tun? Und dabei macht sie Ihnen so das Leben schwer! Sie ist so scheinheilig! Sie ist schrecklich!« Ich halte mich zurück, frage mich, ob ich zu weit gegangen bin. Sam sieht mich so komisch an.
»Nein, Sie verstehen nicht. Es ergibt keinen Sinn, weil ich nicht verlobt bin. Ich habe keine Verlobte.«
»Aber Sie sind doch mit Willow verlobt«, sage ich dümmlich.
»Nein, bin ich nicht.«
»Aber …« Leeren Blickes starre ich ihn an. Wie kann er nicht verlobt sein? Natürlich ist er verlobt.
»War ich auch nie.« Er zuckt mit den Achseln. »Wie kommen Sie darauf?«
»Sie haben es mir erzählt! Ich weiß , dass Sie es mir erzählt haben!« Ich verziehe das Gesicht, versuche, mich zu erinnern.
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