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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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wirklich bist. Und wenn es mir unbedenklich vorkam, wollte ich dir vielleicht sogar erzählen, dass dein Bruder lebt und unschuldig ist, obwohl Ken mich immer wieder davor gewarnt hat, weil es so gefährlich wäre. Ich habe keinen Plan gemacht oder so. Ich bin einfach nach New York gekommen und eines Tages ins Covenant House spaziert, und du kannst das Schicksal oder Bestimmung nennen oder wie du willst, aber in dem Moment, als ich dich gesehen habe, wusste ich, dass ich dich immer lieben werde.«
    Ich hatte Angst, war verwirrt und lächelte.

    »Was?«, fragte sie.
    »Ich liebe dich.«
    Sie legte den Kopf auf meine Schulter. Wir wurden still. Da war noch mehr. Es würde schon noch ans Licht kommen. Im Moment genossen wir nur die stille Gemeinsamkeit. Als Nora so weit war, erzählte sie weiter.
    »Vor ein paar Wochen hab ich im Krankenhaus bei deiner Mutter gesessen. Sie hatte solch starke Schmerzen, Will. Sie konnte es nicht mehr aushalten, das hat sie mir gesagt. Sie wollte sterben. Es ging ihr so schlecht, na ja, das weißt du ja selber.«
    Ich nickte.
    »Ich habe deine Mutter geliebt. Ich glaube, das weißt du.«
    »Ja, weiß ich«, sagte ich.
    »Ich konnte nicht einfach rumsitzen und nichts tun. Also hab ich das Versprechen gebrochen, das ich deinem Bruder gegeben hatte. Ich wollte, dass sie die Wahrheit erfährt, bevor sie stirbt. Sie hatte es verdient. Ich wollte, dass sie weiß, dass ihr Sohn lebt und dass er sie liebt und dass er niemand was getan hat.«
    »Du hast ihr von Ken erzählt?«
    »Ja. Aber obwohl sie weggetreten war, war sie skeptisch. Ich glaube, sie wollte Beweise.«
    Ich erschrak und wandte mich zu ihr um. Jetzt sah ich klarer. So hatte alles angefangen. Der Besuch im Schlafzimmer nach der Beerdigung. Das Bild hinter dem Bilderrahmen. »Du hast meiner Mutter das Bild von Ken gegeben.«
    Nora nickte.
    »Sie hat ihn nie getroffen. Sie hatte nur das Bild.«
    »Genau.«
    Das erklärte natürlich, warum wir nie etwas davon erfahren hatten. »Aber du hast ihr gesagt, dass er zurückkommt.«

    »Ja.«
    »Hast du gelogen?«
    Sie dachte darüber nach. »Vielleicht hab ich übertrieben, aber ich glaube eigentlich nicht, dass das eine Lüge war. Sheila hatte sich bei mir gemeldet, als sie ihn erwischt haben. Ken war immer sehr vorsichtig. Er hatte alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen für Sheila und Carly getroffen. Als sie ihn erwischt haben, sind Sheila und Carly abgehauen. Die Polizei wusste nichts von ihnen. Sheila ist in Europa geblieben, bis Ken meinte, dass alles wieder in Ordnung wäre. Dann ist sie heimlich nachgekommen.«
    »Und als sie hier war, hat sie dich angerufen?«
    »Ja.«
    Eins passte zum anderen. »Aus einer Telefonzelle in New Mexico.«
    »Ja.«
    Das musste der erste Anruf gewesen sein, den Pistillo erwähnt hatte – der aus New Mexico an meine Wohnung. »Und was war dann?«
    »Dann ist alles schief gegangen«, sagte sie. »Ken hat mich angerufen. Er war in Panik. Irgendwer hatte sie entdeckt. Er war mit Carly unterwegs, als zwei Männer ins Haus eingebrochen sind. Sie haben Sheila gefoltert, um rauszukriegen, wo er ist. Ken ist mittendrin nach Hause gekommen. Er hat die beiden erschossen. Aber Sheila war schwer verletzt. Er hat mich angerufen und gesagt, dass ich abhauen soll. Die Polizei würde Sheilas Fingerabdrücke finden. McGuane und seine Leute würden auch erfahren, dass Sheila Rogers bei ihm war.«
    »Und dann würden alle anfangen, nach Sheila Rogers zu suchen«, sagte ich.
    »Ja.«
    »Und das warst jetzt du. Also musstest du verschwinden.«
    »Ich wollte es dir sagen, aber Ken war eisern. Es wäre einfach sicherer für dich, wenn du nichts wüsstest. Und dann hat er noch gesagt, dass wir auch an Carly denken müssen. Die hatten ihre Mutter gefoltert und umgebracht. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn Carly was passiert wäre.«
    »Wie alt ist Carly?«
    »Inzwischen fast zwölf.«
    »Dann ist sie also schon vor Kens Flucht geboren worden.«
    »Ich glaube, sie war sechs Monate alt.«
    Noch ein wunder Punkt. Ken hatte eine Tochter gehabt, und er hatte mir nie von ihr erzählt. Ich fragte: »Wieso hat er so ein Geheimnis aus ihr gemacht?«
    »Weiß ich auch nicht.«
    Bisher war mir das alles logisch vorgekommen, doch wie Carly da hineinpasste war mir unklar. Ich überlegte. Sechs Monate vor seinem Verschwinden. Was hatte er da gemacht? Das war ungefähr die Zeit, als ihn das FBI umgedreht hatte. Ob es da irgendwelche Zusammenhänge gab? Ob Ken Angst gehabt hatte, dass er

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