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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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gelesen, dass man mit gebeugten Knien landen und sich abrollen sollte. Das tat ich. Ich rollte gegen einen Baum. Als ich wieder auf den Beinen war, sah ich den Mann auf uns zukommen. Er war vielleicht fünfzehn Meter entfernt. Sein Gesicht war wutverzerrt.
    »Stehen bleiben oder ich schieße.«
    Aber er hatte keine Waffe in der Hand.
    »Lauf!«, rief ich Katy wieder zu.
    »Aber …«, sagte sie.
    »Ich komme gleich nach! Los!«
    Sie wusste, dass ich log. Das war Teil meines Plans. Meine Aufgabe bestand jetzt darin, den Gegner aufzuhalten – ihn so
lange aufzuhalten, dass Katy entkommen konnte. Sie zögerte. Dass ich mich opfern wollte, gefiel ihr nicht.
    Er hatte uns fast erreicht.
    »Du kannst Hilfe holen«, drängte ich sie. »Los!«
    Schließlich hörte sie auf mich und sprang über die Wurzeln und durch das hohe Gras. Ich hatte die Hand schon in der Tasche, als sich der Mann auf mich stürzte. Der Aufprall ging mir bis in die Knochen, doch es gelang mir, die Arme um ihn zu schlingen. Wir fielen zusammen hin. Das hatte ich auch irgendwo gelesen. Fast alle Kämpfe enden auf dem Boden. Im Film schlagen die Kämpfer zu und gehen zu Boden. Im richtigen Leben senkt man den Kopf und packt den Gegner, und das Ganze endet in einem Ringkampf. Ich rollte mit ihm umher, steckte ein paar Treffer ein und konzentrierte mich auf die Scherbe in meiner Hand.
    Ich umklammerte ihn mit beiden Armen, obwohl ich wusste, dass ich ihm so kaum etwas anhaben konnte. Egal. Es würde ihn aufhalten. Jede Sekunde zählte. Katy brauchte den Vorsprung. Ich ließ nicht locker. Er zappelte. Ich ließ nicht los.
    Dann rammte er mir den Schädel ins Gesicht.
    Er holte mit dem Kopf aus und traf mich mit der Stirn im Gesicht. Mir hatte noch nie jemand einen Kopfstoß verpasst, aber es war schmerzhafter als alles, was ich kannte. Es fühlte sich an, als hätte man mir eine Abrissbirne ins Gesicht geschmettert. Tränen stiegen mir in die Augen. Mein Griff erschlaffte. Ich fiel nach hinten. Er holte zu einem zweiten Schlag aus, aber irgendein Instinkt bewog mich dazu, mich wegzudrehen und zu einer Kugel zusammenzurollen. Er kam auf die Beine und trat mit dem Fuß nach meinen Rippen.
    Doch jetzt war ich an der Reihe.
    Darauf war ich gefasst gewesen. Ich steckte den Tritt ein, griff nach dem Fuß und hielt ihn mit einer Hand an meinem Bauch
fest. In der anderen hatte ich die Glasscherbe. Ich rammte sie in den fetten Teil seiner Wade. Er schrie, als das Glas tief in sein Fleisch drang. Der Schrei hallte durch den Wald. Vögel stoben davon. Ich zog die Scherbe heraus und stach noch einmal zu, diesmal in Höhe der Kniesehne. Warmes Blut überströmte mich.
    Der Mann fiel zu Boden und begann zu zappeln wie ein Fisch am Haken.
    Ich wollte gerade noch einmal zustechen, da sagte er: »Bitte. Hau einfach ab.«
    Ich sah ihn an. Sein Bein hing schlaff herab. Er konnte uns nichts mehr tun, jedenfalls im Moment nicht. Ich war kein Mörder. Noch nicht. Und ich verlor Zeit. Der Ghost konnte bald zurück sein. Vorher mussten wir verschwinden.
    Also drehte ich mich um und rannte los.
    Nach zwanzig oder dreißig Metern sah ich hinter mich. Der Mann verfolgte mich nicht. Er hatte sich mühsam auf alle viere gekämpft. Ich lief weiter, als ich Katys Stimme hörte: »Hier drüben, Will!«
    Ich drehte mich um und sah sie.
    »Hier lang«, sagte sie.
    Den Rest der Strecke rannten wir. Zweige schlugen uns ins Gesicht. Wir stolperten über Wurzeln, aber wir fielen nicht hin. Katy hatte nicht zu viel versprochen. Nach fünfzehn Minuten kamen wir aus dem Wald und standen auf der Hobart Gap Road.

    Als Will und Katy aus dem Wald kamen, wartete der Ghost bereits.
    Er beobachtete sie aus einiger Entfernung. Dann lächelte er und stieg wieder ins Auto. Er fuhr zurück und begann mit dem Aufräumen. Er fand Blut. Das hatte er nicht erwartet. Will Klein überraschte und, ja, beeindruckte ihn immer wieder.

    Das war gut.
    Als er fertig war, fuhr der Ghost die South Livingston Avenue hinunter. Keine Spur von Will oder Katy. Das machte nichts. Am Briefkasten an der Northfield Avenue hielt er an. Er zögerte, bevor er das Päckchen einwarf.
    Erledigt.
    Der Ghost fuhr auf der Northfield Avenue zur Route 280 und dann auf dem Garden State Parkway nach Norden. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern. Er dachte darüber nach, wie alles angefangen hatte und wie es enden sollte. Er dachte an McGuane, Will, Katy, Julie und Ken.
    Vor allem jedoch dachte er an seinen Schwur und den eigentlichen

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