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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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erzählt hatte – rausbekommen, woran ich mich noch erinnere  –, bevor er mich umbringt. Ja, ich habe Johns Namen gerufen. Nicht, weil ich dachte, er wäre das da unter der Maske. Ich habe um Hilfe gerufen. Und du hast mir das Leben gerettet, Will. Er hätte mich umgebracht.«
    Mein Blick wanderte langsam zu meinem Bruder hinüber.
    »Sie lügt«, sagte Ken. »Wieso hätte ich Julie umbringen sollen? Sie hat mir geholfen.«
    »Da ist was dran«, sagte Katy. »Und du hast Recht: Julie fand auch, dass Kens Festnahme eine Chance war, alles wieder ins Lot zu bringen, genau wie er’s dir erzählt hat. Und sie hatte auch eingewilligt, ihm zu helfen, wenn er McGuane ans Messer liefert. Aber dein Bruder ist ein bisschen zu weit gegangen.«
    »Inwiefern?«, fragte ich.
    »Ken wusste, dass er auch den Ghost loswerden musste. Keine Risiken. Sein Plan war, Asselta den Mord an Laura Emerson anzuhängen. Ken dachte, Julie hätte wohl nichts dagegen. Aber da hat er sich getäuscht. Weißt du noch, wie eng Julie und John befreundet waren?«
    Es gelang mir, zu nicken.
    »Sie standen sich nahe. Ich weiß nicht, wieso. Ich glaub, das konnten sie sich selbst nicht erklären. Aber Julie mochte ihn. Sie war wahrscheinlich die Einzige, die ihn je gemocht hat. Sie wollte McGuane in den Knast bringen. Mit Vergnügen sogar. Aber sie wollte auf keinen Fall John Asselta schaden.«
    Ich konnte nicht sprechen.
    »Blödsinn«, sagte Ken. »Will?«
    Ich sah ihn nicht an.

    Katy fuhr fort: »Als Julie mitbekommen hat, was Ken vorhatte, hat sie den Ghost angerufen und ihn gewarnt. Ken ist zu uns gekommen, um die Bänder und die Unterlagen abzuholen. Sie wollte ihn aufhalten. Sie hatten Sex. Ken wollte wissen, wo das Beweismaterial ist, aber Julie hat es ihm nicht gegeben. Er war außer sich. Er wollte wissen, wo sie die Sachen versteckt hat. Sie hat es ihm nicht gesagt. Als er begriff, was los war, ist er durchgedreht und hat sie erdrosselt. Der Ghost ist nur Sekunden zu spät gekommen. Er hat auf Ken geschossen, als der abgehauen ist. Ich glaube, er hätte ihn verfolgt, aber als er gesehen hat, dass Julie tot auf dem Boden lag, ist er einfach zusammengebrochen. Er hat sich neben sie geworfen. Er hat ihren Kopf umfasst und geschrien, so gequält, so unmenschlich, wie ich es noch nie gehört habe. Als wäre irgendwas in ihm ein für alle Mal kaputtgegangen.«
    Katy kam näher. Sie sah mich unverwandt an.
    »Ken ist nicht abgehauen, weil er Angst vor McGuane hatte oder fürchtete, dass sie ihm das Ganze anhängen oder so«, sagte sie. »Er ist abgehauen, weil er Julie umgebracht hat.«
    Ich stürzte in einen tiefen Schacht und fuchtelte in dem Versuch, mich an irgendetwas festzuklammern, wild mit den Armen. »Aber der Ghost«, sagte ich hilflos. »Er hat uns entführt …«
    »Das haben wir so geplant«, sagte sie. »Er hat uns entkommen lassen. Uns war allerdings beiden nicht klar, dass du so entschlossen bist. Der Fahrer war nur da, damit es etwas realistischer aussieht. Wir hatten keine Ahnung, dass du ihn so schwer verletzen würdest.«
    »Aber wieso?«
    »Weil der Ghost die Wahrheit kannte.«
    »Welche Wahrheit?«
    Sie deutete wieder auf Ken. »Dass dein Bruder niemals aus
seinem Versteck kommen würde, um dein Leben zu retten. In die Gefahr hätte er sich nie begeben. So was wie das hier …«, sie zeigte mit der freien Hand auf die Umgebung, »… war die einzige Chance, dass er sich auf ein Treffen einlässt.«
    Wieder schüttelte ich den Kopf.
    »Wir hatten an dem Abend einen Mann am Hof postiert. Für alle Fälle. Es ist niemand aufgetaucht.«
    Ich stolperte zurück. Ich sah Melissa an. Ich sah meinen Vater an. Und ich wusste, dass es stimmte. Jedes Wort. Es stimmte.
    Ken hatte Julie umgebracht.
    »Ich wollte dir nicht wehtun«, sagte Katy zu mir. »Aber meine Familie brauchte einen Schlussstrich. Das FBI hätte ihn laufen lassen. Ich hatte keine Wahl. Mit dem Mord an meiner Schwester durfte er einfach nicht davonkommen.«
    Jetzt meldete mein Vater sich zum ersten Mal zu Wort. »Und was hast du jetzt vor, Katy? Willst du ihn einfach erschießen?«
    Katy sagte: »Ja.«
    Und dann brach erneut die Hölle los.
    Mein Vater opferte sich. Er stieß einen Schrei aus und stürzte sich auf Katy. Sie schoss. Mein Vater zuckte kurz, taumelte dann jedoch weiter auf sie zu. Er schlug ihr die Waffe aus der Hand, fiel zu Boden und hielt sich das Bein.
    Aber die Ablenkung hatte genügt.
    Als ich aufsah, hatte Ken seine eigene Pistole gezogen. Sein

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