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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Die Anfänge waren bescheiden gewesen. Die Schule hatte in glücklicher Vergessenheit um ihr Überleben gekämpft. Dann »entdeckte« eine gewisse Prominente, ein großer Popstar, den Sie nur zu gut kennen, Squares. Sie erzählte ihren Freunden von ihm. Ein paar Monate später brachte Cosmopolitan eine Reportage. Dann Elle. Irgendwann hat ein großer Infomercial-Vertrieb
Squares um ein Video gebeten. Squares, der immer bereit war, sein Letztes zu geben, lieferte das Gewünschte. Der Yoga Squared Workout  – der Name ist geschützt – begann seinen Siegeszug. Hey, für die Aufnahmen hatte Squares sich sogar rasiert.
    Der Rest ist Geschichte.
    Plötzlich konnte keine gesellschaftliche Zusammenkunft in Manhattan oder den Hamptons sich mehr »Event« nennen, ohne dass jedermanns Lieblings-Fitness-Guru zugegen war. Squares schlug die meisten Einladungen aus, lernte jedoch schnell, wie man Kontakte knüpft. Er hatte kaum noch Zeit zum Unterrichten. Wenn man einen Kurs besuchen will, selbst wenn er von seinen unerfahrensten Praktikanten geleitet wird, muss man sich mindestens zwei Monate im Voraus anmelden. Squares nimmt fünfundzwanzig Dollar pro Sitzung. Er hat vier Studios. In das kleinste passen fünfzig Schüler. In das größte fast zweihundert. Er hat vierundzwanzig Lehrer, die abwechselnd unterrichten. Als ich jetzt zum Studio kam, war es halb zwölf, und noch immer liefen drei Kurse.
    Sie können sich’s selbst ausrechnen.
    Im Treppenhaus hörte ich die durchdringenden Klänge von Sitar-Musik, unterlegt mit dem Plätschern eines Wasserfalls, eine Geräusch-Gemengelage, die ich als so wohltuend empfinde wie das Geschrei einer Katze, der man eine Ladung Schrot verpasst hat. Zuerst stößt man auf den Geschenkladen, in dem Weihrauch, Bücher, Lotionen, Tonbandkassetten, Videos, CDROMs, DVDs, Kristalle, Perlen, Ponchos und Batikkleidung angeboten werden. Hinter dem Verkaufstresen standen zwei magersüchtige, schwarz gekleidete Mittzwanziger, deren ganzes Erscheinungsbild nach Müsli roch. Die ewige Jugend. Wartet nur. Ein Männchen und ein Weibchen, was nicht ganz einfach festzustellen war. Ihre Stimmen bewegten sich am Rande der Überheblichkeit  – wie bei Küchenchefs eines angesagten neuen Restaurants.
In ihren Piercings – und sie hatten viele – trugen sie Silber und Türkise.
    »Hi«, sagte ich.
    »Ziehen Sie bitte Ihre Schuhe aus«, sagte das mutmaßliche Männchen.
    »Okay.«
    Ich streifte sie ab.
    »Und Sie sind?«, fragte das mutmaßliche Weibchen.
    »Hier, um Squares abzuholen. Ich bin Will Klein.«
    Der Name sagte ihnen nichts. Sie mussten neu sein. »Haben Sie einen Termin bei Yogi Squares?«
    »Yogi Squares?«, wiederholte ich.
    Sie starrten mich an.
    »Sagen Sie«, fragte ich, »sind Yogi Squares klüger als andere Squares?«
    Die Kiddies lachten nicht. Überraschung. Sie tippte etwas in den Computer. Beide betrachteten den Monitor mit gefurchten Stirnen. Er nahm den Telefonhörer ab und wählte. Die Sitar-Musik plärrte. Ich merkte, wie sich in meinem Kopf gewaltige Schmerzen zusammenbrauten.
    »Will?«
    Die wunderbare Wanda kam mit hocherhobenem Kopf, herausgestreckter Brust und einem Blick, dem nichts entging, im engen Gymnastikanzug ins Zimmer gerauscht. Sie war Squares’ leitende Lehrerin und seine Geliebte. Die beiden waren seit drei Jahren zusammen. Der Anzug war lavendelfarben und saß perfekt. Wanda bot einen atemberaubenden Anblick – groß, feingliedrig und geschmeidig, unbeschreiblich schön und schwarz. Ja, schwarz. Die Ironie war uns, die wir Squares’ – entschuldigen Sie das Wortspiel – bunt bewegte Vergangenheit kannten, durchaus bewusst.
    Sie schlang die Arme um mich, und diese Umarmung war so
warm wie ein Kaminfeuer. Ich wünschte mir, sie würde nie aufhören.
    »Wie geht’s, Will«, fragte sie leise.
    »Besser.«
    Sie trat einen Schritt zurück und musterte mich eindringlich, um zu sehen, ob ich sie belog. Sie war bei dem Begräbnis meiner Mutter gewesen. Squares und sie hatten keine Geheimnisse voreinander. Squares und ich hatten keine Geheimnisse voreinander. Wie bei einem mathematischen Beweis konnte man daraus schließen, dass auch wir beide keine Geheimnisse voreinander hatten.
    »Sein Kurs ist gleich zu Ende«, sagte sie. »Pranayama-Atmung.«
    Ich nickte.
    Sie legte den Kopf schräg, als wäre ihr gerade etwas eingefallen. »Hast du noch einen Augenblick Zeit für mich?« Es sollte beiläufig klingen, was ihr aber nicht ganz gelang.
    »Klar«, erwiderte

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